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1989 | Schwante

Foto: Gründungsversammlung der SDP in Schwante / Oranienburg
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7. Oktober 1989
Morgenröte in Schwante

In Ost-Berlin paradiert die Nationale Volksarmee. Die SED-Führung feiert das 40-jährige Bestehen der DDR. Am selben Tag treffen sich in einem Pfarrhaus in Schwante gut 40 mutige Bürgerinnen und Bürger der DDR und gründen die SDP, die Sozialdemokratische Partei in der DDR.

Die Initiative geht von zwei evangelischen Pfarrern aus: Martin Gutzeit aus Oranienburg und Markus Meckel aus Magdeburg. Schon seit Anfang des Jahres denken sie darüber nach, wie das Monopol der SED zu brechen ist. Am 26. August werben sie auf einem Seminar in Berlin für ihre Idee, die Sozialdemokratie neu zu gründen.

Das Seminar über "Die Französische Revolution und die Menschenrechte" findet in der Golgatha-Kirche statt. Der 26. August ist der 200. Jahrestag der Proklamation der Menschen- und Bürgerrechte. Gutzeit und Meckel legen einen Aufruf vor: "So kann es nicht weitergehen." Ab Anfang September wird er in Oppositionskreisen herumgereicht. Jetzt trägt zwei weitere Unterschriften: die des Greifswalder Pfarrers Arndt Noack und die des Berliner Historikers Ibrahim Böhme. 

Böhme, so stellt sich später heraus, ist ein Stasi-Spitzel. Sein Deckname: IM Maximilian. IM steht für 'Informeller Mitarbeiter' des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS).

Wie wird das Regime reagieren?

Als sich am Morgen des 7. Oktober das kleine Pfarrhaus in Schwante allmählich mit Menschen füllt, ist völlig offen, wohin die wachsenden Proteste in der DDR führen werden. 1953 halfen sowjetische Panzer, den Volksaufstand vom 17. Juni niederzuschlagen. Chinas KP hat im Juni auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking ein Massaker unter Oppositionellen anrichten lassen.

Wird die SED-Führung zur "chinesischen Lösung" greifen oder dem Vorbild Michail Gorbatschows folgen, der in der UdSSR auf die friedliche Politik der Perestrojka setzt? Wer in Schwante seine Unterschrift unter die Gründungsurkunde der SDP setzt, geht jedenfalls ein großes persönliches Risiko ein – und jeder ahnt: Das MfS hört mit. Die SDP will die DDR in eine "ökologisch orientierte soziale Demokratie" umwandeln. Sie setzt auf unabhängige Gerichte, garantierte Grundrechte und eine parlamentarische Mehrparteiendemokratie. Von Wiedervereinigung ist noch nicht die Rede. Man strebt Gespräche mit der Bundesrepublik "auf gleicher Augenhöhe" an.

Über die Kirche waren West-Kontakte möglich

Dass unter den neuen Sozialdemokrat*innen sehr viele Pfarrer und Pfarrerskinder sind, hat einen einfachen Grund. Der Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR bildete das einzige von der SED unabhängige institutionelle Netzwerk. Über Kontakte zwischen Ost- und Westkirchen kamen Begegnungen mit Sozialdemokraten aus der Bundesrepublik zustande: etwa mit Gustav Heinemann, Johannes Rau, Erhard Eppler, Diether Posser, Jürgen Schmude.

Stephan Hilsberg wird zum ersten Vorsitzenden der SDP gewählt. Er und Steffen Reiche führen bald Gespräche mit der SPD. Am 27. September 1990 vereinigen sich beide Parteien – noch vor der staatlichen Vereinigung.

Die SPD nimmt dabei in Kauf, dass sie für lange Zeit keine wirkliche Verankerung in gesellschaftlichen Milieus jenseits von Intellektuellenzirkeln und Kirchenkreisen haben wird. CDU und FDP schließen sich mit DDR-Blockparteien zusammen – und verfügen sofort über ein dichtes Netz an Geschäftsstellen und willigen Mitarbeiter*innen. Die SED sowieso: Sie verwandelt sich zunächst in die PDS, dann in Die Linke.