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1883 | Tod von Karl Marx

Foto: Karl Marx Porträt aus dem Jahre 1875
AdsD/Friedrich-Ebert-Stiftung/dpa

14. März 1883
Ein Denker wird zum Idol für Millionen

Seit dem Tod seiner geliebten Frau Jenny hat Karl Marx nur noch wenige Kontakte. Sein wohl einziger Freund Friedrich Engels besucht ihn täglich. Am 14. März 1883 findet er Karl Marx im Lehnstuhl sitzend – tot.

Zur Beerdigung auf dem Londoner Highgate Friedhof findet sich nur eine Handvoll Trauernder ein. Wilhelm Liebknecht ist darunter und Helena Demuth, Marx’ Haushälterin und Geliebte. Die beiden noch lebenden Töchter Eleanor und Laura wollen ein stilles Begräbnis. Friedrich Engels hält die Trauerrede. Der Grabstein mit der Inschrift "Workers of all lands, unite!" schmückt das (bei dieser Gelegenheit verlegte) Grab erst seit 1956.

Kurz vor Karl Marx stirbt seine Tochter Jenny. Das vergrößert seinen Schmerz. Seit dem Tod seiner gleichnamigen Frau ist zu seinen vielen körperlichen Krankheiten eine tiefe Schwermut getreten. "Der Mohr ist auch gestorben," schreibt Engels an einen Freund. "Der Mohr", so wird Karl Marx in der Familie gerufen.

Ein Bürgersohn wird zum Propheten des Proletariats

Kurz vor seinem Tod macht Marx auf Anraten Engels’ – und von diesem finanziert – Urlaub in Algerien. Von dort schreibt er dem Freund und Gönner: "…es würde eine Lüge sein zu leugnen, dass meine Gedanken zum großen Teil in Anspruch genommen werden von der Erinnerung an mein Weib, solch ein Stück von dem besten Teil meines Lebens!"

1843 heiratet Marx seine Jugendliebe, die um vier Jahre ältere Jenny von Westphalen. Seine 1841 erschienene Dissertation widmet er bereits dem Schwiegervater in spe. Im Vorwort dazu heißt es: "Gottlos ist nicht, wer die Götter der Menge verachtet, sondern wer die Meinungen der Menge den Göttern anheftet." Karl Marx, geboren am 5. Mai 1818 in Trier, entstammt einer jüdischen Bürgerfamilie. Sein Vater Heinrich unterhält einen eigenen Weinberg nahe der alten Römer- und Bischofsstadt. Um 1820 herum tritt Heinrich mit der gesamten Familie zum Protestantismus über. Das befördert seine anwaltliche Tätigkeit in Preußen durchaus.

Marx reibt sich an Hegel und der Wirklichkeit

Karl studiert erst Jura, dann Philosophie, zunächst in Bonn, dann in Berlin. Er liest Shakespeare, lernt Sprachen, schreibt Gedichte. Der führende Denker dieser Jahre ist Hegel, der im Preußentum zur Freude der Regierenden das vollendete Herrschaftsmodell sieht. Marx reibt sich an Hegels Denken. Die Jung- oder Links-Hegelianer, zu denen er sich zunächst gesellt, sehen im wirklichen Leben Armut, Zensur, Unterdrückung und suchen nach einer Fortsetzung der Geschichte. Sie glauben die herrschenden Kräfte der Zeit – die Kirche und den preußischen Staat – der Vernichtung geweiht.

Marx erkennt, dass der Mensch, um zu leben und zu denken, zuerst essen und trinken müsse. Er sucht nach dem wahren Wesen des Menschen und nach einem allgemeinen Prinzip, das hinter allen Entwicklungen menschlicher Gesellschaften steht.

Früh ins Exil und die Isolation gewzungen

1843, nach einer kurzen Zeit als Redakteur der Rheinischen Zeitung in Köln – hier lernt er den Industriellensohn Engels kennen – muss Marx Deutschland verlassen. Im Pariser und später im Brüsseler Exil lernt er sozialistische Denker kennen und wird zum leitenden Philosophen der entstehenden Arbeiterbewegung. Er entwickelt die Idee der "wahren Demokratie", der "klassenlosen Gesellschaft", in der der Mensch als soziales Wesen erst zu sich selber finde. Im Revolutionsjahr 1848 schreibt und veröffentlicht er zusammen mit dem praktischer veranlagten Engels das "Kommunistische Manifest". Der relativ kurze und zunächst kaum beachtete Text ist mitreißend und verständlich formuliert, vor allem aber von einem historischen Optimismus erfüllt, der allen, die ihn zitieren, das Gefühl gibt, auf der richtigen Seite zu stehen: der Seite der künftigen Sieger.

Marx’ weitere Schriften sind so umfangreich und kompliziert, dass sie öfter hochgehalten als gelesen und begriffen werden. Marx fühlt sich unverstanden und zugleich allen anderen, die sich Sozialist*innen, Sozialdemokrat*innen oder Kommunist*innen nennen, himmelweit überlegen. Reale Politik widert ihn an. Das 1875 beim Vereinigungsparteitag der deutschen Arbeiterbewegung in Gotha beschlossene Programm verurteilt er aus der Ferne beißend als "verwerflich und demoralisierend". Im persönlichen Umgang wird er zumeist als unerträglich empfunden.

Ein zweites Zwischenspiel in Köln

1848 kommt er noch einmal nach Deutschland, leitet für kurze Zeit die Redaktion der "Neuen Rheinischen Zeitung". 1849, die Revolution ist gescheitert, geht er endgültig wieder ins Exil, jetzt nach London. Er vergräbt sich zwischen Büchern, wird zum Dauergast im British Museum und leidet unter notorischem Geldmangel. Immer wieder hilft Friedrich Engels aus, der bis 1870 eine Fabrik der Familie in Manchester leitet. Er ermuntert Marx, das große Werk seines Lebens zu schreiben, eine umfassende Analyse der treibenden Kraft des Fortschritts, wie er in der Industrialisierung täglich sichtbar wird: des Kapitals.

Nach sechzehn Jahren harter "Plackerei" erscheint 1867 Band 1 des "Kapitals". Band 2 und 3 kann Marx nicht mehr vollenden. Dass sie nach Marx’ Tod doch noch als Bücher erscheinen, auch dafür sorgt Engels.

Von Sein, Schein und Bewusstsein

Marx analysiert mit einer bis heute unübertroffenen Gedankenschärfe die treibenden Kräfte des Kapitalismus. Von ihm verwendete Begriffe wie Produktivkraft, Entfremdung, Mehrwert werden Allgemeingut; auch Zitate wie:

"Nicht das Bewusstsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewusstsein."

(Quelle: Die deutsche Ideologie, 1845/46, zit. nach Karl Marx, Die Frühschriften, hrg. von Siegfried Landshut, Kröner Verlag, Stuttgart 1971, S. 349.)

Aus seiner früh und vage formulierten Hoffnung, der kapitalistischen werde dereinst die klassenlose Gesellschaft folgen, leiten selbsternannte "Marxisten" später die angebliche "Gesetzmäßigkeit" ab, mit der der Kapitalismus zusammenbrechen werde. Die bissige Schärfe, die vernichtende Unbedingtheit der Marx’schen Sprache werden in Teilen der linksintellektuellen Öffentlichkeit stilbildend.

In seinen letzten Lebensjahren fällt Marx das Arbeiten, ja selbst das Sitzen immer schwerer. Er leidet an einer nicht heilen wollenden Furunkulose, unter einer Leberkrankheit, zudem an chronischem Luftröhrenkatarrh. All das sieht man den Bildern nicht an, die von ihm verbreitet werden und einen buddhahaft vitalen, oft ironisch lächelnden Mann mit wilder Haarmähne und gewaltigem Bart zeigen. Er wird nur 64 Jahre alt.