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1963 | Tod Ollenhauers
Die SPD verliert den „Mann, der nie resignierte“
Erich Ollenhauer stirbt. Die SPD verliert ihren Partei- und Fraktionsvorsitzenden. Einen Mann, für den "Führen und Dienen stets ein- und dasselbe" waren, in Hans-Jochen Vogels Worten.
Erich Ollenhauer steht 17 Jahre lang an der Spitze der SPD; zunächst an der Seite Kurt Schumachers, seit 1952 als Vorsitzender der Partei und der Bundestagsfraktion. Er führt die SPD zum Godesberger Programm und ebnet dem jungen Willy Brandt den Weg zur Kanzlerkandidatur.
Auf diesem Weg muss er selbst viele Niederlagen verkraften. Er gilt als Mann der Organisation, als blass, er ist kein fesselnder Redner. Aber er hält die Partei in schweren Zeiten zusammen. Die Presse heftet ihm Etiketten an wie "der heillose Verlierer" oder "Liebling der Karikaturisten".
"Aber gerade das macht seine Größe und Bedeutung aus: dass er nie resignierte," würdigt Hans-Jochen Vogel Ollenhauers Verdienste aus Anlass von dessen 30. Todestag, 1993. "Dass er die stets die Sache wichtiger nahm als seine eigene Person."
Ein Arbeiterkind wächst in die SPD hinein
Erich Ollenhauer kommt am 27. März 1901 in Magdeburg zur Welt. Sein Vater ist Maurer, seine Mutter Büglerin. Früh wächst er in die Arbeiterbewegung hinein. Im Revolutionsjahr 1918 tritt er der SPD bei. Bald übernimmt er erste Funktionen in der Arbeiterjugendbewegung (SAJ).
1928 wird Erich Ollenhauer Reichsvorsitzender der Sozialistischen Arbeiterjugend, 1933, kurz nach Adolf Hitlers Ernennung zum Reichskanzler, wird er in den Vorstand der SPD gewählt. Die Nationalsozialisten verwandeln Deutschland binnen Monaten in eine Diktatur. Ollenhauer flieht Anfang Mai 1933 nach Prag. Dort beteiligt er sich, zusammen mit Otto Wels, am Aufbau der SoPaDe, der Exilorganisation der SPD.
Aus dem Exil zurück in ein zerstörtes Land
Vor dem Einmarsch der Wehrmacht in die Tschechoslowakei flieht Ollenhauer mit seiner Familie aus Prag über Polen und Dänemark nach Paris, später nach London. Die Briten ermöglichen 1945 seine frühe Rückkehr nach Deutschland. Erich Ollenhauer organisiert von Hannover aus an der Seite Kurt Schumachers den Wiederaufbau der SPD in den Westsektoren.
Bei der ersten Bundestagswahl wird Ollenhauer in Bochum direkt gewählt. Die Bundestagsfraktion kürt ihn zum stellvertretenden Vorsitzenden. Der begabte Organisator und Mittler zwischen Personen und Gruppen gilt als "die perfekte Nummer 2".
1953 stirbt Kurt Schumacher, der charismatische Kopf der SPD. Ollenhauer wird zur Nummer Eins der Partei. Zweimal führt er sie als Spitzenkandidat in Bundestagswahlen. Stets unterliegt er Konrad Adenauers CDU.
Erich Ollenhauer wächst über sich selbst hinaus
Nach der verlorenen Bundestagswahl von 1957 (SPD: 31,8 %, CDU/CSU: 50,2 %) leitet Ollenhauer einen Reformprozess ein, der zum Godesberger Programm von 1959 und zu Willy Brandts erster Kanzlerkandidatur von 1961 führt.
1963 wird Erich Ollenhauer zum Vorsitzenden der Sozialistischen Internationale gewählt. Ein Vierteljahr später erliegt er in Bonn einer Lungenembolie. Als der SPD-Parteivorstand Jahre später aus der provisorischen "Baracke" in einen Neubau umzieht, gibt er ihm den Namen "Erich-Ollenhauer-Haus".
Worauf es ankomme im Leben, hat Erich Ollenhauer aus Anlass des Todes eines Weggefährten selbst so formuliert: "Es gibt für uns keine höhere Erfüllung in der kurzen Zeitspanne, die uns in dieser Welt zugemessen ist, als Arbeit, in der wir über uns selbst hinauswachsen können im Dienste einer großen menschlichen Aufgabe."