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1998 | Rot-Grüne Koalition

Foto: Gerhard Schröder (l) und Joschka Fischer geben sich nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages am 16.10.2002 die Hand.
dpa

27. Oktober 1998
Aufbruch nach Jahren des Stillstands

Eine neue Ära beginnt. Am 27. Oktober 1998 wird Gerhard Schröder vom Bundestag zum Bundeskanzler gewählt. Die erste rot-grüne Bundesregierung entsteht. Eine lange Zeit des Stillstands ist vorbei.

Bei den Wahlen zum 14. Bundestag einen Monat zuvor, am 27. September, trägt die SPD unter der Führung des niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröders einen fulminanten Sieg davon. Mit 40,9 Prozent votieren die Wählerinnen und Wähler für einen Politikwechsel und stimmen für die SPD. Es ist eine denkwürdige Wahl. In mehrfacher Hinsicht.

"Die Grünen" ziehen mit 6,7 Prozent ins Parlament ein. Erstmals sind sie an einer Regierung beteiligt. Die FDP erzielt 6,2 Prozent und muss erstmals seit der Großen Koalition (1966-1969) in die Opposition. Ebenfalls erstmals wird mit Wolfgang Thierse ein Ostdeutscher zum Bundestagspräsidenten gewählt. Es ist das zweithöchste Staatsamt, das die deutsche Verfassung bereit hält. Und letztmals konstituiert sich der Bundestag in Bonn, bevor er 1999 nach Berlin in den Reichstag zieht.

Der Kanzler des Reformstaus geht

Nach 16 Jahren muss Helmut Kohl seinen Schreibtisch räumen. Von 1982 bis 1998 war er Bundeskanzler, so lange wie niemand zuvor. Der "Kanzler der Einheit" hinterlässt  einen Reformstau. Die dringlichste Aufgabe der neuen Bundesregierung wird es sein, diesen aufzulösen.

Gerhard Schröder und Joschka Fischer sind die beiden Frontmänner dieser neuen Regierung. Mit ihnen weht ein neuer Wind durch Bonn und Berlin. Das von vielen so titulierte "rot-grüne Projekt" zielt auf die Fortsetzung der Erneuerung Deutschlands und des Deutschlands-Bildes unter Willy Brandt und Helmut Schmidt. Ein dritter Frontmann, Oskar Lafontaine, tritt drei Monate nach der Wahl von seinem Amt als Finanzminister und als Parteivorsitzender zurück. Voraus gegangen waren interne Differenzen über die wirtschafts- und finanzpolitische Ausrichtung der Regierungspolitik.

Der Atomausstieg wird beschlossen, eine große Steuerreform verabschiedet, dabei die Ökosteuer eingeführt und das Erneuerbare-Energien-Gesetz erlassen. In der Integrationspolitik werden die Reform des Staatsbürgerschaftsrechtes und das erste Zuwanderungsgesetz auf den Weg gebracht. 

Und auch das Lebenspartnerschaftgesetz, der Ausbau des BaföG und der Ganztagsschulen sind Kinder der gesellschaftspolitischen Modernisierung unter Rot-Grün.

Darf Deutschland Krieg führen?

Aber auch außenpolitisch sieht sich die rot-grüne Bundesregierung mit schwerwiegenden Entscheidungen konfrontiert. Mit Entscheidungen, die über Leben und Tod bestimmen. Mit Entscheidungen, die fast das Ende der Koalition bedeuten.

Zum einen stellt der Kosovo-Einsatz der NATO 1998 die SPD wie auch "Die Grünen" vor eine Zerreißprobe. Die Menschenrechtsverletzungen und der offenkundige Genozid an den Kosovo-Albanern lassen der Internationalen Gemeinschaft keine Wahl, wollen sie das Morden beenden.So beteiligt sich die Bundesrepublik erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg an Kampfeinsätzen und hilft dabei, Slobodan Milosevic zu entmachten und den Balkan zu befrieden.

Am 11. September 2001 lenken Terroristen vollbesetzte Passagierflugzeuge in das New Yorker World Trade Center. Auch das Pentagon und das Weiße Haus sind Ziele der Islamisten, von denen viele zuvor in Deutschland gelebt haben. Hier wurden die Attentate vorbereitet. 

In einer ersten Reaktion versichert Gerhard Schröder den USA die "uneingeschränkte Solidarität" Deutschlands und verspricht die notwendige Unterstützung im "Krieg gegen den Terror".

So beginnt im Oktober 2001 die Jagd nach Osama bin Laden und der Al-Kaida in Afghanistan. Auch deutsche Streitkräfte nehmen an  der internationalen Mission "Enduring Freedom" teil und stellen ein nicht unbedeutendes Kontingent der ISAF (International Security Assistance Force), die bis 2014 in Afghanistan stationiert sein wird. Als weitere Reaktion auf die Anschläge werden im Bundestag die umfangreichen und nicht unumstrittenen "Anti-Terror-Gesetze" erlassen.

Deutschland sagt Nein zum Krieg gegen Irak

Ebenfalls im Namen des "Krieges gegen den Terror" bereiten die USA einen Militärschlag gegen den Irak vor. Sadam Hussein unterstellen sie, Massenvernichtungswaffen zu besitzen und zu verbreiten. Sie sind fest entschlossen, auch ohne ein UN-Mandat anzugreifen.Schröders "Nein" eint das Land hinter der rot-grünen Regierung.

Mit der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 22. Mai 2005, die die SPD in ihrem Stammland verliert, wird das Ende von Rot-Grün im Bund eingeleitet. Am Abend der Wahl verkündet Schröder Neuwahlen für den September, um sich der Unterstützung seiner Reformpolitik zu vergewissern.

Trotz einer beispiellosen Aufholjagd in den Umfragen, wo Schröder und Fischer Punkt um Punkt erkämpfen, reicht es am Ende nicht ganz. Das rot-grüne Projekt hat keine Mehrheit mehr. Deutschland wird von 2005 bis 2009 zum zweiten Mal von einer Großen Koalition regiert.

Klingbeil: Schröder in SPD politisch isoliert

Der Blick auf die Kanzlerschaft von Gerhard Schröder wird heute davon überschattet, dass Schröder sich auch vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine nicht vom russischen Präsidenten Wladimir Putin distanziert. Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil urteilte deshalb 2022: „Für uns steht fest: Politisch ist Gerhard Schröder mit seinen Positionen in der SPD isoliert.“