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2005 | Tag gegen Homophobie

Foto: Tausende demonstrieren anlässlich des internationalen Tages gegen Homophobie und Transphobie 2014 in Berlin
dpa

17. Mai 2005
§ 175: Erinnerung an einen Schandparagraphen

§ 175 Strafgesetzbuch – das war über 100 Jahre eine Kriminalisierung und Diskriminierung von lesbischen Frauen und schwulen Männern in Deutschland.  In diesen Jahren wurden 100.000ende Leben zerstört. Das gilt besonders für die Zeit der Nazi-Diktatur. Aber auch für die Anfangszeit der Bundesrepublik. Erst 1994 wurde dieser Schandparagraf endgültig aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Viel zu spät!

Bebels später Triumph

Damit hat sich August Bebel endlich durchgesetzt. Der als "Arbeiterkaiser" verehrte und von Bismarck mit Gefängnis verfolgte langjährige Vorsitzende der SPD gehört schon 1898 zu den Unterzeichnern einer Petition, die Schluss machen will mit der Verfolgung Homosexueller.

Seit der Reichsgründung 1871 stellt der berüchtigte Paragraph 175 "Unzucht wider die Natur" unter Strafe. Er orientiert sich an einer seit dem 16. Jahrhundert in deutschen Ländern geübten Rechtspraxis.

Wer als Homosexueller erkannt wird, muss mit Verachtung, Ausgrenzung und Gefängnisstrafen rechnen.

Bebel plädiert schon deshalb für die Aufhebung des § 175, weil er Bigotterie verurteilt:

"Die Zahl dieser Personen ist aber so groß und greift so in alle Gesellschaftskreise, von den untersten bis zu den höchsten, ein, dass, wenn die Polizei pflichtmäßig ihre Schuldigkeit täte, der preußische Staat sofort gezwungen würde, allein, um das Verbrechen gegen § 175, soweit es in Berlin begangen wird, zu sühnen, zwei neue Gefängnisanstalten zu bauen."

1902 versucht Bebel, in der SPD-Reichstagsfraktion eine Mehrheit für einen Antrag auf Aufhebung des § 175 zu finden – vergeblich. Die Partei folgt ihrem Vorsitzenden nicht; noch nicht.

Zwangskastrationen in der Nazizeit

In der Weimarer Republik unternimmt die SPD mehrere Anläufe, Homosexualität zu entkriminalisieren. Doch selbst kleine Fortschritte werden in Zeiten häufig wechselnder Regierungen von Konservativen sofort wieder zurückgenommen.

Während der Nazi-Diktatur wird der § 175 nicht abgeschafft, sondern verschärft. Seit 1935 reicht die "wolllüstige Absicht des Täters", den Straftatbestand der "Unzucht" zu erfüllen. Ertappten "Kriminellen" wird die Möglichkeit der "freiwilligen" Kastration nahegelegt.

1942, während des Krieges, wird auf den Anschein der Freiwilligkeit vollends verzichtet. Ab jetzt werden Kastrationen angeordnet.

Nach 1945 gilt der Paragraph weiter. In der Bundesrepublik sogar in der von den Nazis verschärften Form. Obwohl es doch im neuen Grundgesetz heißt: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Die DDR kehrt zu einer früheren Fassung des § 175 zurück.

Erst 1968 streicht sie ihn aus dem Strafgesetzbuch. Das geschieht für Gesamtdeutschland schließlich 1994, in der Folge der Angleichung der Rechtssysteme nach der Wiedervereinigung.

"..und das ist auch gut so"

Dennoch halten viele Schwule und Lesben ihre sexuelle Orientierung verborgen, insbesondere, wenn sie in der Öffentlichkeit stehen. Das ändert sich erst, als Klaus Wowereit auf dem Nominierungsparteitag der Berliner SPD 2001 erklärt:

"Ich sag' euch etwas zu meiner Person. Ich weiß ja, ich bin ja schon eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, und ich weiß auch ganz genau, dass mein Privatleben, jetzt sowieso, nur noch öffentlich sein wird. Aber damit auch keine Irritationen hochkommen, liebe Genossinnen und Genossen; ich sag's euch auch, und wer's noch nicht gewusst hat: Ich bin schwul - und das ist auch gut so, liebe Genossinnen und Genossen!"

Seither sind viele homosexuelle Politiker*innen Wowereits Beispiel gefolgt. Bereits seit 1978 gibt es die Schwusos in der SPD, seit 2012 im Status einer Arbeitsgemeinschaft. 2013 setzt sich die SPD für die volle Gleichberechtigung schwuler und lesbischer Partnerschaften ein.

Seit 2005 ist der 17. Mai ein internationaler Gedenktag gegen die Homophobie. Er erinnert an einen endlich überwundenen Schandparagrafen und mahnt zugleich, der immer noch in der Gesellschaft vorhandenen Homophobie konsequent entgegenzutreten.