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2022 | Steinmeier wiedergewählt

13.02.2022
Steinmeier wiedergewählt
Die Bundesversammlung bestätigt 2022 Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident mit großer Mehrheit. Steinmeier nimmt die Wiederwahl mit einem deutlichen Appell an Russland und einem starken Plädoyer für Demokratie und mehr Mut zu Veränderung an. „Seien wir nicht ängstlich! Packen wir die Zukunft bei den Hörnern.“
Frank-Walter Steinmeier, der von den Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP sowie von der CDU/CSU-Opposition nominiert wurde, kommt auf eine Zustimmung von rund 73 Prozent. Er erhält 1045 von 1425 gültigen Stimmen und nimmt die Wahl direkt im Anschluss an die Verkündung des Ergebnisses an. Zwölf Stimmen waren ungültig. Steinmeier ist damit erst der fünfte Bundespräsident mit einer zweiten Amtszeit. Er wolle für „alle Menschen, die in unserem Land leben“ Bundespräsident sein, sagt Steinmeier in seiner Rede. Überparteilich werde er sein, „ja – aber ich bin nicht neutral, wenn es um die Sache der Demokratie geht“, so Steinmeier. „Wer für die Demokratie streitet, hat mich an seiner Seite. Wer sie angreift, wird mich als Gegner haben!“
Steinmeier: Demokratie braucht Kontroverse
Zugleich verspricht der Bundespräsident, er werde „keine Kontroverse scheuen, Demokratie braucht Kontroverse. Aber es gibt eine rote Linie, und die verläuft bei Hass und Gewalt. Und diese rote Linie müssen wir halten in diesem Land“, betont Steinmeier. „Gegner der Demokratie, von außen und von innen, säen in der Pandemie Zweifel an unserer Handlungsfähigkeit und unseren Institutionen, an der freien Wissenschaft, den freien Medien.“
Angesichts der bedrohlichen Situation an der russisch-ukrainischen Grenze mahnt Steinmeier: „Die Abwesenheit von Krieg auf unserem Kontinent war uns zur Gewohnheit geworden.“ Doch Frieden sei nicht selbstverständlich, „er muss immer wieder erarbeitet werden, im Dialog, aber wo nötig, auch mit Klarheit, Abschreckung und Entschlossenheit. All das braucht es jetzt.“
Steinmeier warnte Putin: Stärke der Demokratie nicht unterschätzen
Klare Worte richtee das deutsche Staatsoberhaupt an den russischen Präsidenten Wladimir Putin: Für den drohenden Krieg „trägt Russland die Verantwortung“. Das Bündnis NATO sei essentiell für den Frieden Deutschlands und Europas. Deutschlands Botschaft an die Nato-Partner in Osteuropa sei: „Sie können sich auf uns verlassen.“ Zugleich warnt er Putin: „Unterschätzen Sie nicht die Stärke der Demokratie!“ Sein Appell an den russischen Präsidenten: „Lösen Sie die Schlinge um den Hals der Ukraine! Und suchen Sie mit uns einen Weg, der Frieden in Europa bewahrt!“
Steinmeier will sich mit Mitbewerber gegen Obdachlosigkeit engagieren
Der neu gewählte Bundespräsident bietet einem seiner unterlegenen Mitbewerber eine Zusammenarbeit im Kampf gegen Obdachlosigkeit an. „Sie haben mit Ihrer Kandidatur auf ein Thema aufmerksam gemacht, das mehr Aufmerksamkeit verdient: die Lage der Ärmsten und Verwundbarsten in unserem Land“, sagt Steinmeier an den Kandidaten der Linken, den Mediziner Gerhard Trabert, gewandt. „Dafür, Herr Trabert, gebührt Ihnen nicht nur Respekt, sondern ich hoffe, dass Ihr Impuls erhalten bleibt.“ Trabert engagiert sich seit Jahrzehnten für die medizinische Versorgung von Obdachlosen und in der Flüchtlingshilfe.
Sowohl Trabert als auch er selbst beschäftigten sich mit dem Thema Obdachlosigkeit seit langer Zeit, sagt Steinmeier. „Warum schauen wir nicht, ob wir diesem drängenden Thema gemeinsam mehr Aufmerksamkeit verschaffen können, Herr Trabert? Ich würde mich freuen, wenn wir darüber ins Gespräch kämen.“
„Nichts leuchtet heller als die Idee der Freiheit und Demokratie“
Der Bundespräsident nutzt seine Antrittsrede für ein flammendes Plädoyer für die Demokratie. Die Zukunft sei offen, so Steinmeier. Und auf diese Offenheit habe niemand, kein Autokrat und keine Ideologie, bessere Antworten als die Demokratie. „Also: Machen wir uns nicht selbst klein! Seien wir nicht ängstlich! Packen wir die Zukunft bei den Hörnern! Mögen die Autoritären doch ihre Eispaläste und Golfressorts bauen. Nichts davon ist stärker, nichts leuchtet heller als die Idee der Freiheit und Demokratie in den Köpfen und Herzen der Menschen!“
Jede und jeder im ganzen Land, der sich um mehr kümmere als sich selbst – „der gewinnt ein Stück Zukunft für uns alle“. Jede und jeder, der sich engagiert – im Beruf oder im Ehrenamt, im Gemeinderat oder im Verein – „der kämpft den Kampf um die Zukunft der Demokratie!“ Jede und jeder, der anpacke, im Großen und im Kleinen – „der bringt die Kraft der Demokratie zum Leuchten!“ Steinmeier weiter: „Gehen wir‘s gemeinsam an. Ich freue mich auf das, was vor uns liegt!“
Scholz: „Der richtige Präsident zur richtigen Zeit“
Bundeskanzler Olaf Scholz gratuliert dem Bundespräsidenten zur Wiederwahl. Steinmeier sei in der Lage, in schwierigen Zeiten Orientierung zu geben. Diese sei nötig mit Blick auf die Pandemie und die Sicherung des Friedens in Europa. „Frank-Walter Steinmeier hat in der Vergangenheit schon gezeigt, dass er genau dazu in der Lage ist“, so Scholz. Frank-Walter Steinmeier sei „der richtige Präsident genau zur richtigen Zeit“.
Bas: „Trauen wir uns Veränderung und Fortschritt zu!“
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas eröffnet die Bundesversammlung mit einem Appell für mehr Mut und Respekt angesichts der aktuellen Krisen. Sie ruft dazu auf, auch unter den erschwerten Bedingungen von Corona-Pandemie, Ukraine-Konflikt, Klimawandel und Preissteigerungen nicht die Nerven zu verlieren. „Jede Zeit stellt neue Aufgaben. Mit jedem Schritt vorwärts sind Risiken verbunden“, sagt sie und fordert: „Trauen wir uns dennoch Veränderung und Fortschritt zu!“
Bärbel Bas beschreibt die polarisierte Stimmung im Land: „Scheinbar unversöhnlich stehen Menschen sich gegenüber, die unterschiedliche Einstellungen haben. Die Stimmung im Land, in Familien und Freundeskreisen leidet darunter. Dagegen hilft kein Impfstoff.“ Deshalb seien Mut, Zuversicht und ein respektvoller Ton im Umgang mit Andersdenkenden jetzt so wichtig. „Die Mehrheit hat nicht automatisch Recht - die Minderheit aber auch nicht“, betont sie. Alle müssten sich bewegen und aufeinander zugehen.
Klingbeil: Steinmeier der Brückenbauer
SPD-Chef Lars Klingbeil betont vor der Wahl, in einer so polarisierten Zeit brauche Deutschland einen Bundespräsidenten, „der in der Lage ist, Brücken zu bauen, der in der Lage ist, Menschen zusammenzubringen, auch eine Sprache zu finden, die das Land zusammenhält und vereint“. Das sei Steinmeier. Er gehe davon aus, dass sich Steinmeier in einer zweiten Amtszeit noch stärker in gesellschaftlichen Kontroversen einmischen und dem Land stärker Orientierung geben werde.
Aus Paris gratuliert Frankreichs Regierungschef Emmanuel Macron auf Deutsch. „Mögen wir auch weiterhin gemeinsam die kostbare Freundschaft stärken, die Deutschland und Frankreich verbindet, und die europäischen Werte fördern, die wir teilen“, schreibt er auf Twitter. Italiens Staatschef Sergio Mattarella, der mit Steinmeier befreundet ist, äußert „Freude und eine tiefe Genugtuung“.
Mit Frank-Walter Steinmeier, der seine Parteizugehörigkeit zur SPD als Bundespräsident ruhen lässt, wird zum ersten Mal seit Reichspräsident Friedrich Ebert und den Bundespräsidenten Gustav Heinemann und Johannes Rau ein Sozialdemokrat als Staatsoberhaupt wiedergewählt.