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Polina Gordienko
Ich bin eine von vielen. Ich bin eine von euch. Ich bin Sozialdemokratin.
Warum eigentlich SPD? Warum Sozialdemokratie? Die Antworten auf diese Frage sind bunt. Sie sind laut und trotzig, sie sind stolz und liebevoll.
Wir sind rund 400.000 Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. Und jede*r von uns bringt seine eigene, besondere Geschichte mit. Einige davon erzählen wir in unserem Projekt #1von400Tausend.
Ich bin Polina Gordienko ...
Während meiner Kindheit in Belarus wurde ich darauf vorbereitet, Tennisprofi zu werden. Was meine Eltern nicht wussten: Mit 12 Jahren lernte ich heimlich deutsch. Nachts unter der Bettdecke. Um mir meinen größten Traum zu erfüllen: Das Regime endlich zu verlassen und nach München zu ziehen.
Meinen Eltern war Bildung nie wichtig. Ihr Plan für meine Zukunft stand fest. Ich sollte Tennisprofi werden. Statt zu lernen, stand ich rund 50 Stunden die Woche auf dem Platz. Ich musste liefern. Immer. Jeden Tag. Auch mit 40 Grad Fieber oder Knieschmerzen.
Von klein auf war meine Abneigung gegen das Regime groß und ich versteckte meine Haltung nicht. Natürlich kannte ich Wörter wie „Diktatur“ noch nicht. Aber wenn wir im Sportunterricht mal wieder marschieren mussten, sträubte sich alles in mir. Ich wusste: Das kann nicht richtig sein. So will ich nicht leben. Ich fühlte mich schlecht, doch mit meinen Eltern konnte ich darüber nicht reden. Sie unterstützen das System.
Mit 12 Jahren reiste ich zu meiner Tante nach München. Sie lebte dort schon 25 Jahre. Sie hatte Russland – wo ich übrigens auch geboren wurde – den Rücken zugekehrt. An meinem ersten Tag in Deutschland verstand ich sofort, warum. Ich bekam Antworten auf all meine Fragen. Ich erlebte eine völlig neue Welt.
Die Münchner waren so frei, so offen, so herzlich, so gebildet. Sie verkörperten den Gegensatz zu meiner Heimat. Ich kam mir vor wie in einem Märchen. Und wusste: Das ist das Leben, das ich mir erträumt hatte. Als ich nach zwei Wochen wieder zurück in meine Heimat musste, weinte ich tagelang. Alles in mir zog sich bei dem Gedanken zusammen, wieder nach Belarus zu müssen.
Doch ich hatte heimlich Lehrbücher und einen Plan im Gepäck: Gemeinsam mit meiner Tante bereitete ich meine Auswanderung nach Deutschland vor. Ich lernte Deutsch und Französisch, um auf ein Gymnasium in München zu kommen.
Im Januar 2014 tat ich dann etwas, von dem ich mich heute noch frage, wie ich dafür den Mut aufbringen konnte. Gemeinsam mit meinen Eltern und meinem kleinen Bruder war ich erneut zu Besuch in München. Da meine Eltern die Sprache nicht beherrschten, navigierte ich sie durch Stadt. Ich nannte ihnen die Adresse eines Internats, das ich mir zuvor im Internet für mich ausgeguckt hatte.
Als wir vorfuhren, rannte ich aus dem Auto. Und meine Eltern hinterher. Ich war schneller und gelangte in das Sekretariat, wo ich auf die Schulleiterin traf. Aufgeregt bat ich sie um einen Platz an ihrer Schule. Ich glaube, sie realisierte sofort, in welcher Not ich steckte und sicherte mir einen Platz zu - für das nächste Schuljahr. Meine Eltern verstanden zwar kein Wort, konnten sich aber zusammenreimen, was hier gerade passierte. Sie hatten schon lange geahnt, dass ich sie verlassen wollte.
Sie waren erbost über mein Verhalten. Und machten mir klar, dass sie das niemals zulassen würden. Und ich es niemals ohne sie schaffen würde. Doch ich habe es geschafft, habe mir Schule, Visum und Unterkunft besorgt – gemeinsam mit meiner Tante. Und auch die letzte Hürde ließ ich hinter mir. Meine Eltern. Denn sie wollten mich noch am letzten Tag vor meiner Abreise einsperren. Aber ich ließ mich nicht einschüchtern und ging einfach. Vollbepackt und voller Mut verließ ich mein Elternhaus. Und brach in ein besseres Leben auf.
Ich habe mein Abi mit 1,0 bestanden und schließe aktuell meinen zweiten Bachelor ab. Später einmal möchte ich promovieren. Und: Ich fühle mich sicher in Deutschland. Hier brauche ich keine Angst zu haben. Hier darf ich mich weiterbilden. Hier darf ich mich frei entfalten. Hier werde ich anerkannt. All das bedeutet Respekt für mich.
Ich will mir nicht ausmalen, wie es mir gehen würde, wäre ich in Belarus geblieben. Täglich verfolge ich, wie es den Menschen in meiner Heimat ergeht, die seit über 300 Tagen nach der letzten Präsidentschaftswahl unermüdlich für eine Zukunft im freien und demokratischen Rechtsstaat demonstrieren. Wie ihr Leben durch die Diktator Alexander Lukaschenko zerstört wird, der das Land seit 27 Jahren mit harter Hand regiert. Wie sie sogar verhaftet werden, wenn sie den Müll rausbringen. Wie Folter, Prügel und Vergewaltigungen alltäglich sind – auch bei meinen Freunden.
Ich möchte in Deutschland die Stimme der Menschen sein, die vor Ort keine Stimme haben dürfen. Ich möchte aufklären. Und nehme dafür gerne in Kauf, dass ich nie wieder in meine Heimat einreisen darf.
Mit 18 Jahren bin ich in die SPD eingetreten. Seit letztem Jahr bin ich stellvertretende Vorsitzende eines Bezirksausschusses im Münchner Süden sowie Vorsitzende des Ausschusses für Soziales, Bildung und Sport. Ich freue mich sehr, die SPD in München zu repräsentieren und mich vor Ort für die Stärkung der Demokratie zu engagieren. Die SPD hat schon immer für die Demokratie gekämpft – ohne Angst. Sie setzt sich für die Schwachen ein und lässt niemanden zurück. Sie kämpft für ein starkes, souveränes Europa. Und das ist heute wichtiger denn je.
Die SPD ist wie ich: Sie ist die Stimme für die Menschen, die man nicht so laut hört.
Liebe Polina, ...
… ich habe deine Geschichte gelesen und gedacht: was für eine mutige junge Frau! Du hast für Deine Bildung gekämpft und für Deine Freiheit. Weil du schon so früh und tief im Herzen gespürt hast, wie wertvoll die Demokratie ist.
Kein Kind dieser Welt sollte in einer Diktatur aufwachsen - voller Angst und Sorgen. Kein Kind sollte unfrei und ungebildet ins Leben starten müssen. Dafür kämpfe ich, deshalb bin ich mit 16 Jahren in die SPD eingetreten, liebe Polina. Danke, dass du 1von400Tausend bist.“
Danke, dass du #1von400Tausend bist!
Dein Olaf Scholz
Ihr seid Genossin oder Genosse und habt eine besondere Geschichte? Oder ihr kennt jemanden, der #1von400Tausend werden sollte? Dann meldet euch bei uns. Schreibt uns einfach eine Mail an 1von400Tausend(at)spd.de.
Wir freuen uns auf euch und eure Geschichten!