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Aktuelles

Foto: Franziska Giffey
Giffey
11.04.2020 | Gespräch mit Franziska Giffey

„Familien mit kleinen Einkommen müssen wir besonders unterstützen“

Für viele Familien und Alleinerziehende ist es in der Corona-Krise besonders hart: Manche haben weniger Geld zur Verfügung, die Kinder müssen bei Schulaufgaben betreut werden und wenn der gemeinsame Wohnraum knapp bemessen ist, liegen die Nerven zwischendurch schnell mal blank. Wie nimmst Du die Stimmung gerade wahr, sind wir auf einem guten Weg oder droht uns ein kollektiver Corona-Koller?

Ich glaube wichtig ist, dass wir dazu eine besonnene und ruhige Einstellung in Besonnenheit behalten. Wir sind in einer Ausnahmesituation, das ist ganz klar. Keiner konnte das planen, es ging sehr, sehr schnell. Wir sind jetzt in der dritten Woche, in der Kitas und Schulen geschlossen sind und das normale öffentliche Leben nicht stattfinden kann. Viele Menschen sind im Homeoffice oder in Kurzarbeit – das ist schon eine sehr schwierige Situation. Wichtig ist, dass Familien, Betriebe und Selbständige in dieser Lage durch den Staat unterstützt werden, dass wir die Leute nicht alleine lassen. Daran arbeiten wir intensiv. Das Hilfspaket, das die Bundesregierung beschlossen hat, ist einzigartig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Es hat eine Größenordnung, die wirklich dazu führt, dass vieles von den Dingen, die jetzt auf uns zukommen, auch abgefedert wird. Im Familienministerium nehmen wir natürlich vor allem die Familien in den Blick. Hier geht es gerade darum, Familien mit kleinen Einkommen oder Einkommenseinbußen zu unterstützen durch zusätzliche staatliche Maßnahmen.

Gerade für Frauen kann die derzeitige Situation belastend oder sogar gefährlich sein. Du selbst hast gesagt, dass die Fallzahlen häuslicher Gewalt voraussichtlich zunehmen werden. Hat sich das bereits bestätigt?

Wir sind mit unseren Expertinnen und Experten von den Hilfetelefonen und den Fachberatungsstellen in ganz engen Austausch. Man muss hier zwischen Stadt und Land unterscheiden. Auf dem Land ist die Anspannung manchmal geringer, weil es mehr Möglichkeiten gibt, raus zu gehen – zum Beispiel in den eigenen Garten – als in der engen Stadt. Da ist das Konfliktpotenzial unterschiedlich. Wir verzeichnen noch keinen signifikanten Anstieg, was gut ist, aber auch nicht überbewertet werden darf. In China zum Beispiel ist die Anzahl der Anzeigen von häuslicher Gewalt erst nach dem Ende der Kontaktbeschränkungen hochgegangen. Das heißt, hier muss man abwarten. Und wir müssen uns trotzdem darauf vorbereiten. Wenn die Kapazitäten in den Frauenhäusern knapp werden sollten, müssen wir reagieren können. Das ist generell notwendig, nicht nur in Zeiten der Krise gut ist. Es darf nicht sein, dass wir in Deutschland eine Situation haben, in der Frauen in einer Notsituation abgewiesen werden. Hier geht es um pragmatische Lösungen. Das heißt wenn die Kapazitäten in einzelnen Bundesländern erschöpft sind, dann überlegen wir gemeinsam, wie wir sie erhöhen können, auch durch unkonventionelle Anmietungen von Appartements und Hotels, um Frauen unterzubringen. Und wir müssen das Mittel der Wegweisung verstärken – nach dem Motto „Wer schlägt, der geht“. Warum muss eigentlich immer das Opfer die Wohnung verlassen? Deshalb müssen wir für die Zeit nach der Krise einen Schwerpunkt auf die Frage der Wegweisung legen. Es sollten diejenigen die Wohnung verlassen müssen, die gewalttätig werden und nicht diejenigen, die geschlagen werden.

Welche Rückmeldung gibt es aktuell von den Frauenberatungsstellen und den Hilfetelefonen? Und wie sieht die Hilfe aus, die jetzt in dieser Zeit dort gewährt wird?

Erstmal ist es wichtig, dass alles an Hilfetelefonen und Onlineberatung aufrechterhalten bleibt. Wir haben unser Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ unter der Nummer 08000 116 016. Dieses Hilfetelefon ist rund um die Uhr in 18 Sprachen erreichbar. Das ist ein ganz wichtiges Instrument. Das werden wir natürlich aufrechterhalten. Wir haben bei allen Nummern einen Anstieg der Anrufzahlen, auch beim Elterntelefon, beim Pflegetelefon, bei der „Nummer gegen Kummer“ für Kinder und Jugendliche. Es gibt also generell mehr Anrufer bei den Hilfetelefonen. Wir haben einerseits nochmal für die Hilfetelefone geworben, aber wir sind insgesamt auch in einer unsicheren Situation. Da geht es auch um ganz praktische Frage, zum Beispiel fragen die Menschen beim Pflegetelefon: Was kann ich tun, wenn mir mein Pflegedienst akut wegbricht? Oder beim Elterntelefon gibt es viele praktische Fragen zum Elterngeld. Umso wichtiger ist es, dass diese Strukturen erhalten bleiben bzw. auch ausgebaut werden.

Du hast mit dem Bundesfamilienministerium schon viel auf den Weg gebracht, zum Beispiel der Notfallkinderzuschlag. Gibt es noch weitere Maßnahmen, die geplant sind?

Der Kinderzuschlag setzt bei Familien mit kleinen Einkommen an. Das hilft denjenigen, die jetzt Einkommenseinbrüche haben und bisher gar nicht in der staatlichen Leistung waren, Menschen, die auch Wohngeld beziehen oder jetzt ein Nettohaushaltseinkommen von unter 2400 Euro haben. Für die ist der Kinderzuschlag auf jeden Fall interessant, die sollten sich erkundigen bei der Familienkasse oder bei uns unter www.notfall-kiz.de. Den Antrag können Eltern dann ganz einfach online bei der Familienkassen stellen. Das ist so simpel wie möglich.

Sehr froh bin ich, dass wir in dieser Woche beim Thema Elterngeld eine Einigung erreicht haben. Hier geht es zum Beispiel um diejenigen, die jetzt schwanger sind und Sorge haben, wie sich die Kurzarbeit auf das Elterngeld auswirkt und ob sie dadurch später weniger Elterngeld bekommen. Diese Sorge wollen wir ihnen nehmen: Wir klammern die Kurzarbeitsmonate bei der Berechnung des Elterngeldes aus, so dass die Eltern hier keine Nachteile haben werden. Es gibt auch viele Menschen, die jetzt in systemrelevanten Berufen arbeiten und die ihre Elternzeitmonate nicht nehmen können, wie sie das geplant haben. Oder sie können den Partnerschaftsbonus, den es gibt, wenn beide in Teilzeit arbeiten, nicht nehmen, weil sie im Altenpflegeheim oder im Krankenhaus gebraucht werden. Sie fragen sich: Wenn ich gerade nicht Teilzeit machen kann, muss ich dann den Partnerschaftsbonus zurückzahlen? Normalerweise wäre das so, aber in dieser Situation dürfen wir Eltern nicht benachteiligen, deshalb regeln wir das gesetzlich, dass es nicht dazu kommt. Außerdem klären wir gerade, inwieweit wir etwas für die pflegenden Angehörige tun können. Hier geht es um über zwei Millionen Menschen, die oft gleichzeitig auch berufstätig sind. Für sie ist es eine riesen Herausforderung, mit der Situation umzugehen. Deshalb wollen wir die Regelungen zur Pflegezeit und zur Unterstützung im Akutfall flexibilisieren und für zusätzliche Unterstützung für die Menschen sorgen.

Außerdem haben wir eine ganz wichtige Regelung für den Bundesfreiwilligendienst getroffen. Wir haben hier eine Ausnahmeregelung für diejenigen getroffen, die jetzt nicht an ihren Einsatzorten tätig sein können, weil sie geschlossen sind. Diejenigen, die trotzdem etwas machen möchten, können jetzt ihren Einsatzort wechseln. Dafür haben wir heute ein Onlineportal gestartet: www.freiwilligehelfenjetzt.de. Hier kann man sich melden und kann in anderen Bereichen seinen freiwilligen Dienst leisten. Die Online-Plattform bringt diejenigen, die helfen wollen, mit denen zusammen, die Hilfe brauchen. Ich hoffe, dass da ganz viele Menschen in Bereiche gehen, in denen sie jetzt in der Krise besonders gebraucht werden.

Du bist im regelmäßigen Austausch mit Deinen Kolleginnen und Kollegen aus den Bundesländern. Was für einen Eindruck hast Du hier, gibt es dort Positivbeispiele oder besondere Problemstellungen?

Ich nehme es so wahr, dass auf allen Ebenen daran gearbeitet wird, dass wir das so gut wie möglich hinbekommen, und das ist auch nötig. Wir können von Bundesseite nicht in jeder kommune präsent sein. Wenn zum Beispiel Hilfsgüter wie Schutzmasken und Schutzausrüstung beschafft werden durch den Beschaffungsstab des Bundesgesundheitsministeriums, muss vor Ort dafür gesorgt werden, dass sie gut verteilt werden und dort ankommen, wo sie gebraucht werden – also vielleicht nicht nur in den Krankenhäusern, sondern auch in den Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, in Behinderteneinrichtung und Arztpraxen. Hier muss jetzt alles Hand in Hand zusammenlaufen. Das ist wichtig, dass wir da eine sehr enge Abstimmung haben und hier bin ich in regelmäßigem Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern. Das geht nur zusammen. Und auch wenn derzeit nicht alle mit voller Kraft fahren – viele sind im Homeoffice, manche auch krank oder in Quarantäne – das Bemühen ist von allen Seiten da, das jetzt gut hin zu bekommen. Und das ist wichtiger als manche ideologisch-politische Auseinandersetzung.

Was gibt Dir persönlich Zuversicht und Kraft in dieser Krisenzeit. Gibt es etwas, was Dich besonders hoffnungsvoll macht?

Wenn wir darüber sprechen, wie es uns mit den Einschränkungen geht, ist es immer wichtig, dass wir auch über unsere eigenen Landesgrenzen hinausschauen. Wir müssen nicht sehr weit gucken, um zu merken, dass es Deutschland immer noch vergleichsweise sehr gut geht. Wir haben eins der besten Gesundheitssysteme der Welt, wir sind versorgt mit Lebensmitteln, mit Wasser mit Strom, mit den grundlegenden Gütern des Lebens, auch wenn das ein oder andere Produkt mal nicht sofort verfügbar ist, aber im Großen und Ganzen sind die Supermarktregale gefüllt und werden auch wieder gefüllt. Das sind Dinge, die in anderen Ländern der Welt eben nicht selbstverständlich sind. Wir müssen einfach jetzt gucken, wie wir das beste aus der Situation machen können. Das heißt: Zuversichtlich nach vorne schauen und dran denken, dass auch das vorbeigeht. Wir werden das überstehen. Das ist jetzt eine Zeit, in der man vernünftig sein muss und sich an bestimmte Regeln halten muss, damit das Gesundheitssystem nicht überfordert wird, das ist der Sinn des Ganzen. Wenn alle ihren Beitrag leisten, kommen wir auch über diese Zeit. Wichtig ist eben auch, dass unsere Wirtschaft das am Ende des Tages gut übersteht. Deshalb sind die Hilfen, die jetzt gewährt werden, ganz wichtig. Dass Menschen nicht in Arbeitslosigkeit gehen, sondern in die Kurzarbeit, aus der sie wieder zurück können. Es ist wichtig, dass wir das jetzt gut und schnell umsetzen und dass die Leistungen, die den Familien gewährt werden zügig ankommen. Dafür arbeiten wir jeden Tag sehr hart.

Hier haben wie weitere Informationen für euch zusammengetragen

Unser aktueller Überblick über alle Entwicklungen in der Corona-Zeit:

https://www.spd.de/aktuelles/corona/corona-aktuelles/

Wie welche Maßnahmen euch konkret helfen: für Beschäftigte, Selbstständige, Unternehmen, Mieter*innen und Familien:

https://www.spd.de/aktuelles/corona/massnahmen/

Und hier findet ihr Informationen vom Bundesfamilienministerium:

Allgemeine Informationen zu Hilfs- und Unterstützungsangeboten:

https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/corona-pandemie

Informationen zum Kinderzuschlag in Corona-zeiten:

https://www.bmfsfj.de/kiz

Neues Onlineportal für den Bundesfreiwilligendienst: www.freiwilligehelfenjetzt.de

Infos zum Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/frauen-vor-gewalt-schuetzen/hilfetelefon-gewalt-gegen-frauen/hilfetelefon--gewalt-gegen-frauen-/80584