Arbeitsminister Hubertus Heil hat die Union erneut aufgefordert, schärfere Regeln für die Fleischindustrie nicht länger zu blockieren. „Die Sache duldet keinen Aufschub, und niemand in der Koalition sollte sich jetzt vom Acker machen“, sagte Heil dem SPIEGEL. „Es geht um bessere Bedingungen für die Beschäftigten und nicht um die Interessen der Fleischlobbyisten.
Die Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen schreckten im Frühjahr ganz Deutschland auf. Rasch brachte Arbeitsminister Hubertus Heil schärfere Regeln für die Fleischbranche in Deutschland auf den Weg. Ausgerechnet jetzt, da das Virus immer mehr um sich greift, haben CDU und CSU das Arbeitsschutzkontrollgesetz im Bundestag aufgehalten.
Studie: Stark erhöhtes Corona-Infektionsrisiko in Schlachthöfen
Dabei haben Beschäftigte in Schlachthöfen ein stark erhöhtes Infektionsrisiko bei einem Sars-CoV-2-Ausbruch in ihrem Betrieb. Besonders gefährdet, so der SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe, sind Beschäftigte mit Werk- oder Zeitverträgen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Sonderauswertung des Bundesarbeitsministeriums. Grundlage sind Daten der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe. Ausgewertet wurden alle bekannt gewordenen Ausbrüche in der Fleischwirtschaft zwischen dem 15. März und 24. Oktober dieses Jahres.
Arbeitsminister Hubertus Heil hat einen Gesetzentwurf unter anderem zum Verbot von Werk- und Zeitarbeit in der Fleischindustrie vorgelegt, der im parlamentarischen Verfahren auf Widerstand in der Union stößt. Das Gesetz soll bereits im Januar 2021 in Kraft treten.
Union versucht Gesetz zu verzögern und zu verwässern
„Dass die Union nun versucht, das Gesetz im parlamentarischen Verfahren zu verzögern und zu verwässern, ist nicht akzeptabel“ kritisiert Arbeitsminister Heil. Er fordert: „Wir müssen den Sumpf in Teilen der Fleischindustrie mit diesem Gesetz richtig austrocknen und dürfen nicht den Versuchen der Lobbyisten nachgeben, Schlupflöcher in das Gesetz zu formulieren.“ Alle Koalitionspartner müssten Verantwortung übernehmen, damit das Gesetz zum 1. Januar 2021 in Kraft trete.
Union stellt Profit vor Gesundheitsschutz
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warf der Union eine Blockade zugunsten von Lobbyinteressen vor. „Wenn sich CDU und CSU weiter weigern, stellen sie den Profit der Fleischlobby über die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und über die Verabredungen in der Koalition“, sagte Mützenich dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag).
Wegen oft schlechter Arbeits- und Lebensbedingungen sollen laut dem Gesetzentwurf in der Branche Werkverträge ab 1. Januar und Leiharbeit ab 1. April 2021 verboten werden. Das Gesetz wurde nach massenhaften Corona-Infektionen in Schlachthöfen und Zerlegebetrieben auf den Weg gebracht. Ausgenommen werden sollen Fleischerhandwerksbetriebe mit bis zu 49 Beschäftigten.
Heil betonte, „die Empörung über die Zustände in Teilen der Fleischwirtschaft war im Frühling groß, ganze Landkreise mussten teilweise wieder in den coronabedingten Lockdown, weil Arbeitsschutz und Hygienevorschriften nicht eingehalten wurden“. Die Bundesregierung habe sich schnell darauf geeinigt, dass die Beschäftigten besser geschützt werden müssten. Die Fleischindustrie habe immer wieder versucht, Gesetze zu umgehen und Schlupflöcher zu finden, um auf dem Rücken der Schwächsten Gewinne zu maximieren.
Gewerkschaften: Union muss Blockade beenden
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) kritisierte, „einige aus den Reihen von CDU/CSU haben offenbar aus Corona nichts gelernt und nehmen den Arbeitsschutz noch immer nicht ernst“. Das Arbeitsschutzkontrollgesetz müsse jetzt kommen – „und zwar genauso, wie es auf dem Tisch liegt, inklusive des Verbotes von Werkverträgen und Leiharbeit“, sagte NGG-Chef Guido Zeitler dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel mahnte, alle Abgeordneten von CDU und CSU stünden in der Verantwortung und müssten ihr Versprechen gegenüber den Beschäftigten wie dem Koalitionspartner halten. „Mit jedem weiteren Tag, den die Union das Gesetz verzögert, setzt sie mitten in der Coronakrise die Gesundheit der Beschäftigten aufs Spiel.“