Die türkische Regierung in Ankara hatte den deutschen Botschafter am vergangenen Dienstag ein zweites Mal einbestellt, um gegen eine TV-Satire des NDR zu protestieren. Dieses Vorgehen hat in Deutschland scharfe Reaktionen hervorgerufen. SPD-Außenpolitiker Niels Annen bezeichnete die Reaktion des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan als ein "klassisches Eigentor".
Eine Satire des Norddeutschen Rundfunks über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan hat einen diplomatischen Eklat ausgelöst. Das Außenministerium in Ankara hatte den deutschen Botschafter Martin Erdmann einbestellt. Nach Angaben aus türkischen Diplomatenkreisen vom Dienstag wurde die Forderung an ihn herangetragen, eine weitere Verbreitung des Films zu stoppen.
Annen: „Ein klassisches Eigentor“
Niels Annen ist SPD-Obmann im Auswärtigen Ausschuss. Gegenüber dem Deutschlandfunk bezeichnete er die Einberufung des Botschafters als eine "außerordentlich ungewöhnliche" Entscheidung – „völlig unangemessen“. Erdoğan und die türkische Regierung hätten damit "ein klassisches Eigentor" geschossen, so Annen. Statt das Ansehen und die Ehre des Präsidenten zu schützen, sei das Gegenteil geschehen. "Ich glaube, dass das dem Ruf der Türkei nicht unbedingt geholfen hat", sagte der SPD-Politiker. „Wer Mitglied der EU werden will, wird akzeptieren müssen, dass sich freie Presse einmischt, auch wenn einem das nicht immer gefällt.“
Der deutsche Botschafter hatte in Ankara die eindeutige Haltung der Bundesregierung klar gemacht: Deutschlands Justiz und Presse seien unabhängig. Vertreter fast aller Parteien kritisierten das Vorgehen der türkischen Regierung scharf. „Es gibt eine klare Haltung der deutschen Politik", betonte Annen.
Müntefering: „Eine zusätzliche negative Qualität“
Auch die Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe, Michelle Müntefering (SPD), kritisierte das Vorgehen der Regierung in Ankara. „Wir beobachten die Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit mit Sorge. Dass nun auch deutsche Journalisten und sogar unsere Diplomaten unter Druck gesetzt werden, ist eine zusätzliche negative Qualität“, sagte Müntefering „Spiegel online“ am Dienstag. In der Parlamentariergruppe werde man über die Vorfälle sprechen. „Sicher ist, dass die Reaktionen des türkischen Staatspräsidenten die aktuelle Zusammenarbeit erschweren.“
Der Satirebeitrag wurde am 17. März in der NDR-Sendung „extra 3“ ausgestrahlt. Zur Melodie von „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ der deutschen Sängerin Nena wurde mit einem neuen Text („Erdowie, Erdowo, Erdoğan“) Erdoğans Vorgehen gegen Medien, Demonstranten und Kurden „aufgespießt“.