Inhaltsbereich
Das Grundeinkommensjahr
Das Grundeinkommensjahr als Antwort auf die Veränderungen des Arbeitslebens
Die Arbeitswelt befindet sich in einem Umbruch. Lebensläufe, in denen Menschen von der Ausbildung bis zur Rente in einem Unternehmen die mehr oder weniger gleiche Tätigkeit ausgeübt haben, werden immer seltener. Die durch den technologischen Fortschritt vorangetriebenen Veränderungen werden in den nächsten 10 Jahren „alte“ Berufe in ganz unterschiedlichen Bereichen und Branchen verändern und neue Berufsbilder entstehen lassen.
Die Arbeit wird uns nicht ausgehen, sie wird sich verändern. Angemessene Antworten werden an unterschiedlichen Punkten ansetzen: im Bildungs- und Ausbildungssystem, in der Tarifpolitik, in der Sozialpolitik.
Zeit ist bei aller Unterschiedlichkeit der individuellen Lebens- und Arbeitswelten eines, was allen Erwerbstätigen in den Veränderungsprozessen der Arbeitswelt helfen würde. Zeit zur Erholung, zur Neuorientierung, zur Weiterbildung, zur Vorbereitung der eigenen Selbständigkeit.
Der Vorschlag eines Grundeinkommensjahres setzt hier an und will zeitliche Freiräume schaffen, die selbstbestimmt genutzt werden können. Mit Eintritt in das Berufsleben bekommen alle Erwerbstätigen ein Grundeinkommenskonto. Mit jedem Jahr Berufstätigkeit erwirbt man den Anspruch auf einen Monat Grundeinkommen. Das Grundeinkommen beträgt 1.000 Euro pro Monat und kann für sechs bis maximal 12 Monate in Anspruch genommen werden.
Die Kosten zur Krankenversicherung werden übernommen, Steuern müssen nicht gezahlt werden, Ansprüche aus der Renten- und Arbeitslosenversicherung werden nicht erworben. Hat man das individuelle Grundeinkommenskonto wieder aufgefüllt, kann man dementsprechend nach frühestens sechs Jahren die nächste Auszeit von einem halben Jahr nehmen.
Es gibt keine Regeln zum konkreten Verwendungszweck des Grundeinkommensjahres. Sie kann für die beschriebenen unterschiedlichen Zwecke genutzt werden: Erholung, Neuorientierung, Weiterbildung, Gründung.
Modellrechnung: Inanspruchnahme und Kosten
Individuelles Grundeinkommenszeitkonto: Für jedes Jahr der Erwerbstätigkeit erwirbt man Anspruch auf einen Monat Grundeinkommenszeit. Die wöchentliche Mindestarbeitszeit muss 20 Stunden betragen, um vollständig auf das Grundeinkommenskonto angerechnet zu werden. Wochenarbeitszeiten von unter 20 Stunden werden nur anteilig angerechnet.
Grundeinkommenszeit: Phasen von mindestens 6 und maximal 12 Monaten können als Grundeinkommenszeit in Anspruch genommen werden.
Grundgesamtheit der Anspruchsberechtigten: rund 35 Millionen Erwerbstätige.
Erläuterung: Wenn eine Erwerbstätigkeit von mindestens 6 Jahren vorliegen muss, um den Mindestanspruch von 6 Monaten zu erwerben und man gleichzeitig die Nutzung innerhalb letzten 5 Jahre vor Rentenalter als nicht intendierte Frühverrentungsmaßnahme ausschließen würde, kann man von maximal 35 Millionen Personen ausgehen, die als Anspruchsberechtigte in Frage kommen. Das entspricht in etwa der Anzahl aller Erwerbstätigen im Alter zwischen 30 und 60 Jahren.
Erwartete jährliche Inanspruchnahme: 2% der anspruchsberechtigten Erwerbstätigen.
Erläuterung: Ein ähnliches System in Belgien („Zeitkredit“), bei dem auch Teilzeitmodelle und Frühverrentungsmodelle gewählt werden können, nehmen rund 3% der Erwerbstätigen in Anspruch. Eine komplette Auszeit wird von deutlich unter 1% der Erwerbstätigen gewählt, die Bezüge sind allerdings auch geringer als im hier vorgeschlagenen Modell. Insgesamt gehen wir davon aus, dass die jährliche Inanspruchnahme in Deutschland zwischen 1% und 3% der Anspruchsberechtigten betragen wird.
Höhe: Das monatliche Nettoeinkommen während der Grundeinkommenszeit beträgt 1.000 €. Anpassungen erfolgen entsprechend der Anpassung des Mindestlohns.
Erläuterung: Das monatliche Nettoeinkommen bei Mindestlohntarif liegt bei 1.133,67 € (Steuerklasse I, Mindestlohn und Steuertarif von 2017 und nach Abzug der Sozialversicherungsabgaben). Das Grundeinkommen von 1.000 €/Monat liegt nahe aber knapp unterhalb des Nettomonatseinkommens einer in Vollzeit erwerbstätigen Person mit Mindestlohn.
Kostenschätzung: Geht man von 2% Inanspruchnahme der 35 Millionen anspruchsberechtigten Erwerbstätigen aus, sind das 700.000 Personen. Neben den jährlich 12.000 Euro (1.000 €/Monat) kommen die Krankenkassenbeiträge (rund 15%) hinzu. Das entspräche insgesamt maximal 9,6 Milliarden €/Jahr, wenn man davon ausgeht, dass ausschließlich die kompletten 12 Monate in Anspruch genommen werden. Geht man von 2% Inanspruchnahme und durchschnittlich 9 Monaten aus, belaufen sich die Kosten auf rund 7 Mrd. €/Jahr. Das entspricht in etwa den Kosten des Elterngeldes.