SPD-Chef Sigmar Gabriel erhöht den Druck auf die Union, die Haushaltsüberschüsse nicht länger zu bunkern – sondern für Verbesserungen bei der Bildung, für bessere Renten und bezahlbares Wohnen zu investieren. Mit Blick auf den heutigen EU-Flüchtlingsgipfel warnt er vor der Sichtweise, die Balkan-Staaten könnten für Deutschland „quasi die Drecksarbeit machen“.
Der SPD-Vorsitzende und Vizekanzler kämpft für spürbare Fortschritte im Alltag vieler Menschen: Kita, Schule, Rente, bezahlbare Wohnungen. Dafür will er Haushaltsüberschüsse, die im zweistelligen Milliardenbereich liegen, nutzen. Zwar habe die SPD in der Bundesregierung schon viel erreicht: Mindestlohn etwa, die Rente ab 63, Mütterrente, mehr Geld für Bildung und Straßenbau. „Damit“, stellte Gabriel im Bild-Interview (Montag) fest, „sind die sozialen Aufgaben im Land aber nicht gelöst“. Bürgermeister dürften nicht in die Situation kommen, eine geplante Schulsanierung beispielsweise zu streichen, weil wegen der Flüchtlingsunterbringung das Geld dafür fehle. Die Bundesregierung dürfe nicht die Themen vergessen, „die schon vorher auf der Tagesordnung standen“.
Und die Zeit für Investitionen ist günstig, ausreichend Geld ist wegen der guten Konjunktur und satten Steuermehreinnahmen da. Darum seien weder Steuererhöhungen noch neue Schulden nötig. Aber: „Die Union darf nicht länger die existierenden Haushaltsüberschüsse bunkern“, warnte der SPD-Chef. Am Sonntag kündigte er im ZDF an, dies in den anstehenden Haushaltsberatungen zwischen SPD und Union auf die Tagesordnung zu setzen.
„Am Ende wird das Mittelmeer wieder zum Massengrab“
Für den EU-Flüchtlingsgipfel am heutigen Montag stärkte Gabriel der Kanzlerin den Rücken. Es gehe in der EU um eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik, die aber gleichzeitig dazu führe, dass weniger Menschen gezwungen sind, nach Europa zu fliehen. Grenzschließungen, wie etwa zwischen Mazedonien und Griechenland, seien dafür aber weder geeignet noch vertretbar. „Manche in Deutschland freuen sich klammheimlich, dass die Balkan-Staaten den Zustrom mit Grenzschließungen drosseln und für Deutschland quasi die Drecksarbeit machen. Ich halte eine solche Sichtweise für zynisch. Auf Dauer hilft das nicht. Die Flüchtlinge suchen sich andere Wege. Am Ende wird das Mittelmeer wieder zum Massengrab.“
„Reden reicht nicht“
Investitionen in den gesellschaftlichen Fortschritt und eine verantwortungsvolle Flüchtlingspolitik. Darum geht es SPD-Chef Gabriel – Zusammenhalt in der Gesellschaft. Nur so könne die demokratische Mitte den Populismus der AfD zurückdrängen und viele Nicht-Wähler zurückgewinnen. Dafür müsse Politik jetzt handeln. „Reden reicht nicht“, so Gabriel.