Die Nacht von Freitag auf Samstag ist eine historische. Zum ersten Mal tritt mit Großbritannien ein Mitglied aus der Europäischen Union aus. Katarina Barley erzählt im Gespräch, warum sie das so traurig macht und wie es jetzt weitergeht.
Fabian: In der Nacht von Freitag auf Samstag ist es soweit – Großbritannien tritt endgültig aus der EU aus. Bist du erleichtert, dass dieser Hickhack jetzt vorbei ist?
Katarina: Auf der einen Seite bin ich erleichtert, weil wir alle die Nase voll haben von diesem ewigen Hin und Her. Aber ich finde es vor allen Dingen unglaublich traurig. Es ist das erste Mal, dass ein Mitgliedsstaat die Europäische Union verlässt, und noch dazu dieses großartige, tolle Land, zu dem ich auch noch familiäre Beziehungen habe. Es überwiegt aber die Traurigkeit.
Fabian: Was bedeutet das denn jetzt für die Britinnen und Briten?
Erst einmal gar nicht so viel. Sie sind raus aus der Europäischen Union, aber dadurch, dass es bis Ende des Jahres das Übergangsabkommen gibt, bleiben die meisten Dinge eigentlich erst einmal so, wie sie sind. Das heißt, man wird im Alltag gar nicht so viel davon merken. So richtig schwierig wird es dann erst ab nächstem Jahr. Wie genau es wird, wissen wir allerdings noch nicht. Das müssen wir jetzt in den nächsten Monaten erst mal verhandeln.
Fabian: Es wird jetzt also wieder neuverhandelt. Worauf kommt es dabei an?
Katarina: Dass jetzt noch einmal verhandelt werden muss, wussten viele Leute, auch in UK selber, nicht. Jetzt geht es aber erst richtig los, weil dieses endgültige Abkommen natürlich viel umfangreicher als das Übergangsabkommen sein muss. Und für ähnliche Abkommen haben wir bisher immer mehrere Jahre gebraucht. Das jetzt innerhalb von einer ganz kurzen Zeit hinzubekommen, ist irrsinnig schwierig. Netto werden wahrscheinlich nur acht Monate zum Verhandeln bleiben. Es kommt jetzt darauf an, dass die Rechte der Menschen gewahrt bleiben, sowohl der EU-Ausländer, die in Großbritannien leben, als auch umgekehrt.
Wir wollen natürlich, dass in Großbritannien so viele europäische Standards wie möglich weiter beibehalten werden. Dann kann man zum Beispiel weiter unkompliziert miteinander handeln. Die Briten haben allerdings gesagt, dass sie genau das wahrscheinlich nicht wollen. Aber gerade zu diesem Thema gibt es total widersprüchliche Aussagen der britischen Regierung. Also nichts Neues eigentlich.
Fabian: Es wird also weiter verhandelt, bis wirklich klar ist, was das Ganze bedeutet. Gibt es denn jetzt noch eine Chance, dass sie ihre Meinung ändern und zurückkommen?
Katarina: Nein, ich glaube, jetzt sind erst einmal alle erleichtert, dass jetzt mal irgendetwas wenigstens vorwärtsgeht und nicht immer hin und zurück. Aber Boris Johnson hat sich ja selbst Fesseln angelegt, indem er ein Gesetz hat verabschieden lassen, dass es keine weitere Fristverlängerung gibt. Es muss bis zum Ende des Jahres eine Regelung geben. Wenn es sie dann nicht gibt, kriegen wir das, was wir alle vermeiden wollten: einen harten Brexit. Einen Brexit von heute auf morgen. Das Vereinigte Königreich hätte dann den gleichen Status wie der am weitesten entfernt gelegene unbekannteste Inselstaat. Es gäbe überhaupt keine bilateralen Verträge. Dann müsste man alles anfangen neu zu verhandeln. Das wollen wir natürlich vermeiden, aber das wird eng und sportlich.
Mit Katarina sprach Fabian Schrum, er arbeitet im Willy-Brandt-Haus in der Online-Kommunikation.
Das Gespräch gab es zuerst als Audio-Talk bei telegram. Das könnt ihr jederzeit nachhören, wenn ihr in den Chat KATARINA schreibt.