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Wie ist das Leben mit einer fünfköpfigen Familie in Berlin für dich, Anne-Luise Kitzerow?
Anna: Wie läuft es so mit einer fünfköpfigen Familie in Berlin? Bedeutet das Stress im Alltag oder seid ihr so gut organisiert, dass alles entspannt ist?
Alu: Wenn man es nicht anders kennt, weil beide in Berlin aufgewachsen sind, empfindet man es eigentlich als normal. Das wichtigste ist eigentlich Logistik. Wer ist wann wo und mit wem beschäftigt? Mit einem Kind ist das weniger, mit zwei mehr und mit drei Kindern wird Logistik ein großer Bestandteil in der Beziehung.
Anna: Wie ist das mit dem Thema Care-Arbeit, wie teilt ihr euch das auf? Habt ihr dafür einen Plan?
Alu: Wir leben eine sehr gleichberechtigte Partnerschaft, was sicherlich einer der Gründe ist, wieso wir noch verheiratet sind. Wir teilen unsere Aufgaben untereinander auf.
Anna: Wie kann ich mir das vorstellen? Einer macht die Wäsche und der andere kocht?
Alu: Genau ich mache die Wäsche und mein Mann kocht und geht alleine einkaufen. Nicht unbedingt, weil er daran Spaß hat, das ist ja bei Männern ein Cliché, sondern das ist einfach sein Job. Er kümmert sich auch um die Schulbrote. Wir teilen uns aber auch bei den nicht alltäglichen Aufgaben ein. Zum Beispiel achten wir darauf, dass wir in einem virenreichen Winter möglichst pari-pari zu den Kinderärzten rennen.
Anna: Oft ist es ein Faktor, wer wie viel verdient. Seid ihr auch hier ungefähr gleich, oder ist das bei euch egal?
Alu: Als wir unser erstes Kind bekommen haben waren wir Studenten, da mussten wir uns um Geld keine Sorgen machen, denn wir hatten keins. Beim zweiten Kind haben wir überlegt, wie es für meinen Mann beruflich weitergeht und er wollte die 12 Monate Elternzeit nehmen. Ich konnte das verstehen und bin dann Vollzeit arbeiten gegangen. Wir knüpfen solch Entscheidungen nicht ans Geld, sondern wollen dafür sorgen, dass es allen Beteiligten gut geht. So haben wir das bisher bei allen drei Kindern gehandhabt. Im Moment geht mein Mann Vollzeit arbeiten, aber nur, weil ich gerade mein Masterstudium abgeschlossen habe. In Zukunft ist aber klar, dass ich wieder Vollzeit arbeiten gehen werde.
Anna: Und wie läuft das so mit der Vereinbarkeit von Familie und beruflichem bzw. deinem Studium?
Alu: Es ist auf jeden Fall nicht leicht, man kann schon sagen, dass es hart ist. Ich bin in meinem Studiengang die einzige Frau mit drei Kindern und man hat immer das Gefühl, man müsse Kämpfen. Vor allem wenn ich mit meiner im Osten sozialisierten Mutter darüber rede, dann kämpfen wir quasi die gleichen Kämpfe, die die auch schon gekämpft haben. Frauen sollten auf jeden Fall arbeiten, jedoch stellen wir solche Fragen heute wieder, obwohl die damals eigentlich schon geklärt worden waren.
Anna: Denkst du, dass wir da heute weitergekommen sind? Es gibt ja progressive Blasen, wo das eine Selbstverständlichkeit ist. Denkst du, dass es in der Breite noch nicht angekommen ist?
Alu: Ich finde es total toll, dass jeder sein individuelles Lebensmodell hat. Dadurch gibt es allerdings auch mehr Diskussionsbedarf. Die Frage wird in meiner Bubble nicht gestellt. Aber unter uns Familienbloggern ist das ein großes Diskussionsthema. Viele Frauen empfinden das auch als eine Art Befreiungsschlag, wenn sie bis zur Einschulung der Kinder erst einmal mit ihnen zu Hause bleiben. Ich weiß aber nicht, ob sie damit der Gesellschaft einen Gefallen tun, denn sie das zum Beispiel stark propagieren. Das sind einfach Bilder die sich festsetzen und insofern bin ich mir nicht sicher, ob wir da schon gut nach vorn gekommen sind, oder ob wir da sozusagen zweigleisig fahren und sich eher eine breitere Schere aufmacht.
Anna: Hast du Ideen oder Vorschläge? Was müsste passieren, damit mehr Frauen die Chance auf haben, so zu leben?
Alu: Es geht erst einmal um die Anerkennung von Leistung. Es wird immer noch nicht anerkannt, was Frauen eigentlich zusätzlich Leisten. Es ist nicht so, dass Männer das nicht auch tun, aber in der Kindererziehung und der Pflege tun Frauen meistens mehr. Als praktisches Beispiel: Es ist jetzt Februar und meine Krankentage sind aufgebraucht. Da muss es flexiblere Möglichkeiten für Familien geben. Das zweite wären die Gesundheitskarten. Es gibt pro Kind nur eine so, dass nur ein Elternteil die Karte haben kann. Das ist meistens die Frau, die dann auch mit den Kindern zum Arzt fährt. Warum ist es nicht möglich zwei Karten auszustellen oder die Kinder auf den Karten der Eltern zu vermerken? Damit beide sagen können: Hey, kein Problem, ich habe die Karte, ich fahr zum Arzt. Da sind wir wieder beim Thema Logistik. Es sind einfach Sachen, die Familien unterstützen würden beim Thema Gleichberechtigung voranzukommen, glaube ich.
Anna: Ich glaube, es ist ja auch für euch als Bloggernetzwerk gut, dass ihr euch untereinander austauschen könnt. Ist das ein Tipp, den du anderen Frauen geben würdest? Ist das etwas Hilfreiches?
Alu: Ja genau. Sich Netzwerke schaffen und darauf zurückkommen ist sehr hilfreich. Früher gab es dafür das Dorf heute eben das Internet. Wir Familienblogger sind da sehr gut vernetzt. Wir haben zum Beispiel auch schon Spendenaktionen gestartet, oder haben unsere Türen aufgemacht. Das gilt aber nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer. Auch für Männer können Netzwerke sehr hilfreich sein. Es fehlt generell an Strukturen für Familien, wo sie sich unterstützt fühlen. Wenn ein Familientreffpunkt am Wochenende geschlossen hat du ich da mit meinen Kindern nicht hingehen kann, ist das ein Problem, obwohl ich die Mitarbeiter verstehen kann. Letztendlich fängt da das Problem aber an.
Anna: Danke für das Gespräch, Alu.
Alu: Gerne.
Hier geht es zu Alus Blog: https://www.grossekoepfe.de/