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Hans-Jochen Vogel
Parteivorsitzender, Bundesminister und Oberbürgermeister von München
Hans-Jochen Vogel wurde am 3. Februar 1926 als Sohn eines Privatdozenten geboren. Er gehört zu einer Generation, für die Frieden und Demokratie keine Selbstverständlichkeiten sind. Die Brutalität des Zweiten Weltkrieges musste er am eigenen Leib erfahren. Als ihm nach Kriegsende das ganze Ausmaß der Zerstörung und der Verbrechen bekannt wurde, wusste er, dass dies ohne starkes gesellschaftliches Engagement nicht überwunden werden konnte.
Gegen Ende seines juristischen Studiums in Marburg prüfte er, welche Partei seinen Vorstellungen am besten entsprechen würde. Es waren die Haltung der Sozialdemokraten vor und während des „Dritten Reiches“ und die Haltung und die Reden ihrer großen Persönlichkeiten wie Otto Wels und Kurt Schumacher sowie die Frage der sozialen Gerechtigkeit, die ihn überzeugten. 1950 trat er in die SPD ein. Von da an kümmerte er sich um die Sozialdemokratie und übernahm für sie und das Land mit einer Beharrlichkeit und Ausdauer Verantwortung, wie nur wenige andere vor und nach ihm.
Nachdem er in den 1950er Jahren als Assessor im Bayerischen Staatsministerium der Justiz und auch später in der Staatskanzlei als Leiter des Rechtsreferates in München beschäftigt war, wurde er 1960 im Alter von gerade mal 34 Jahren zum Münchner Oberbürgermeister gewählt. Die folgenden 12 Jahre lang prägte er vom Rathaus aus die Stadt. Neben vielen anderen Projekten und Ereignissen waren die Bewerbung und die Vergabe der Olympischen Spiele von 1972 ein historischer Höhepunkt seiner Amtszeit.
Als Bayerischer Landesvorsitzender und Spitzenkandidat wurde Vogel in der Regierung von Willy Brandt 1971 Bundesminister für Bauwesen und Städtebau.
Als Justizminister in der Regierung von Helmut Schmidt hatte der versierte Rechtswissenschaftler und Verwaltungsexperte eine wichtige Position bekleidet. Zu den wichtigen Erfolgen als Justizminister zählen u.a. die Novellierung des § 218, eine Strafrechtsreform, die Einführung eines neuen Ehe-, Scheidungs- und Familienrechts und die Debatte über die Verjährung von Mord und Völkermord.
Der RAF-Terror stellte allerdings eine harte Bewährungsprobe für den demokratischen Rechtsstaat dar und war die bestimmende Herausforderung dieser Zeit. Es galt, den Staat nicht erpressbar zu machen, den Rechtsstaat zu schützen und trotzdem den Terror zu bekämpfen. Diese Gratwanderung meisterte Vogel an der Seite von Helmut Schmidt mit Pflichtbewusstsein, Charakterstärke und fachlicher Exzellenz.
Als Anfang der 1980er Jahre die Berliner SPD zerstritten und ohne starke Führung dastand, führte Hans-Jochen Vogel die Partei wieder zusammen, stabilisierte sie und übernahm als Regierender Bürgermeister von Berlin Verantwortung. Dieses mutige Handeln zieht sich durch seinen ganzen Lebenslauf. Seine Berliner Zeit und die Übernahme der Kanzlerkandidatur 1983 sind dafür sehr eindrückliche Beispiele. Niemand sonst hatte sich damals getraut, gegen Helmut Kohl anzutreten. Auch wenn die Wahl nicht gewonnen werden konnte: Er hatte sein politisches Gewicht eingesetzt und in der Situation des Machtverlustes die schwere Aufgabe des Fraktionsvorsitzes angetreten – um Fraktion und Partei programmatisch und perspektivisch aufzustellen.
1987 übernahm er dann zusätzlich den Parteivorsitz von Willy-Brandt und bekam so die Gelegenheit, die Politik der Wendezeit mitzugestalten. Eine Herzensangelegenheit war für ihn die Integration der ostdeutschen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten.
Nach seiner beruflichen Zeit als Politiker nahm er sich dem Kampf gegen den Rechtsextremismus an – ein Thema, das ihn schon als junger Mensch zu politischem Engagement motiviert hatte.
Als Antwort auf die rassistischen und fremdenfeindlichen Ereignisse der beginnenden 1990er Jahre gründete er mit vielen anderen den Verein „Gegen Vergessen für Demokratie“ und saß ihm viele Jahre vor.
Hans-Jochen Vogel starb am 26. Juli 2020. Bis zuletzt war Hans-Jochen Vogel ein wertvoller Rat- und Impulsgeber, ein wohlmeinender Kritiker und scharfer Analyst der deutschen Sozialdemokratie.