Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ) trauert um Dr. Hans-Jochen Vogel, der am 26. Juli 2020 im Alter von 94 Jahren verstorben ist. Er war Mitglied der ASJ und bis zuletzt einer, der streitbar für den Rechtsstaat und seine Verantwortung gerade für die kleinen Leute eintrat.Zum Tod von Hans-Jochen Vogel äußerte sich der ASJ-Bundesvorsitzende Harald Baumann-Hasske:
„Hans-Jochen Vogel war in allen seinen politischen Ämtern, ob als Münchener Oberbürgermeister, als Regierender Bürgermeister von Berlin, als Bundesbauminister, als Bundesjustizminister während der schwierigen Jahre des Terrorismus, als Vorsitzender der SPD und der SPD-Bundestagsfraktion sowie als SPD-Kanzlerkandidat, stets ein aufrechter Sozialdemokrat, der klar und unbeirrt für die Werte der SPD eingetreten ist.
Große Reformen, wie ein an die Realitäten angepasstes Familien- und Scheidungsrecht und ein verändertes Recht des Schwangerschaftsabbruchs, fallen in seine Zeit als Bundesminister der Justiz. Reformen, mit denen er und die Mehrheit der sozialliberalen Koalition weiter gegangen war, als das Bundeverfassungsgericht bereit war, zu bestätigen. Die gesellschaftliche Entwicklung hat ihm längst Recht gegeben.
In der Regierung unter Helmut Schmidt kam ihm die wenig dankbare Aufgabe zu, dem Terrorismus der RAF als Minister den Rechtsstaat entgegenzusetzen und dessen verfassungsrechtliche Grenzen auszuloten. Das verschaffte ihm den Ruf, ein „rechter“ Sozialdemokrat zu sein. Ein Ansehen, das er vorher als Bundesbauminister und später als Vorsitzender von Partei und Fraktion sehr nachdenklich und mit scharfem Intellekt widerlegte.
Das verbindet uns mit ihm in besonderer Weise: Schon unter Willy Brandt als Bundeskanzler hatte er sich für eine andere Wohnungspolitik stark gemacht, in der das Bedürfnis nach Wohnraum nicht von Spekulations- und Kapitalinteressen beherrscht wird. Als Vorsitzender von Partei und Fraktion hat er großen Anteil an der deutschen Einheit gehabt. Er hat sie nicht so kritisch gesehen wie Oskar Lafontaine, aber hinter den grenzenlosen Enthusiasmus eines Helmut Kohl durchaus manches berechtigte Fragezeichen gesetzt. Mit ihm als Kanzler hätten die Deutschen über ihre gemeinsame Verfassung abgestimmt und heute ein anderes Verhältnis zu ihrem gemeinsamen Grundgesetz.
Bis zuletzt waren wir mit Hans-Jochen Vogel zu Fragen der Wohnungspolitik und der Bodenordnung im persönlichen und brieflichen Austausch. Zu unserem Gustav-Radbruch-Forum „Mit Recht zum bezahlbaren Wohnraum" Anfang dieses Jahres in Köln verfasste er persönlich ein ausführliches Grußwort.
Wir haben ihn auch als über 90-jährigen als engagierten, diskussionsfreudigen, meinungsstarken und beeindruckend präsenten Gesprächspartner erlebt. Zu Themen, die ihm wichtig waren, hat er sich bis zuletzt eingeschaltet und wurde auch gehört.
Sein Arbeitspensum und sein Pflichtgefühl auch im hohen Lebensalter waren beeindruckend.
Mit einem Schmunzeln denken wir an Anekdoten wie diese zurück: Für ein Treffen bot er uns einen Sonntag, den Tag nach seinem Geburtstag, an. Auf unsere Frage, ob er sich mit uns wirklich an seinem Geburtstagswochenende treffen wolle, bekamen wir zur Antwort, wir hätten ja richtig bemerkt, dass es eben nicht sein Geburtstag, sondern der Tag danach sei.
Seine inhaltlichen Vorschläge der letzten Jahre gegen das Problem stark steigender Mietpreise besonders in den Großstädten sind noch nicht zu Ende diskutiert. Wir werden uns weiter intensiv damit beschäftigen.
Mit Hans-Jochen Vogel verlässt ein politisches Urgestein der SPD die Bühne. Auch die SPD-Juristinnen und Juristen in Deutschland nehmen in Dankbarkeit Abschied."