Vorurteile, die immer weiter kursieren: „Flüchtlinge nehmen unsere Arbeitsplätze weg.“ Oder: „Wir können uns die Flüchtlinge gar nicht leisten. Viel zu teuer!“ Stimmt nicht, hat aktuell noch einmal das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung nachgerechnet. Flüchtlinge bringen den Sozialkassen mehr ein, als sie den Staat kosten.
Die Bedenken, dass eine Versorgung und Integration der Hilfesuchenden für die Gesellschaft zu teuer werden könnte, seien unbegründet, betonte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), in der „Welt“ (Dienstag). „Ich finde es schockierend, wie einseitig die Debatte geführt wird. Der Fokus liegt allein auf angeblich drohenden Steuererhöhungen und Transferzahlungen. Was dabei völlig unterschlagen wird: Viele Flüchtlinge schaffen schon nach wenigen Jahren einen Mehrwert für die deutsche Wirtschaft.“
Ein „Mehrwert“ für uns alle
Die Integrationsleistung benötige natürlich Zeit und koste auch Geld, so der Wirtschaftsexperte. Flüchtlinge würden allerdings auch Einkommen schaffen, die Unternehmenserträge steigern und die Produktivität der Firmen erhöhen. „Davon profitieren ihre deutschen Kollegen. Und schließlich steigern die Mitbürger die Nachfrage“, betonte Fratzscher. Die DIW-Berechnungen zeigten, dass Flüchtlinge letztlich mehr erwirtschaften, als sie den Staat kosten.
Der DIW-Chef plädiert für massive Umschichtungen der staatlichen Ausgaben. „Der Staat hat endlich erkannt, dass er mehr in Bildung und Infrastruktur investieren muss.“ Keineswegs notwendig seien Steuererhöhungen. Vielmehr gehe es darum, staatliche Leistungen zu verbessern und zu reformieren. Ein Beispiel: „Das Ehegattensplitting kostet 20 Milliarden Euro im Jahr, kommt aber fast ausschließlich Gutverdienern zugute und setzt Fehlanreize, häufig für Frauen.“ Auch das Kindergeld sei reformbedürftig.
Flüchtlinge nehmen keine Jobs weg
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen keine Angst im ihre Arbeitsstelle haben, machte der Wirtschaftsexperte noch einmal deutlich. Er rechnet mit etwa 250.000 Flüchtlingen, die im nächsten Jahr auf den Arbeitsmarkt kommen. Das sei bei einer Arbeitslosenquote von sechs Prozent und über 600.000 offenen Stellen verkraftbar. „Außerdem lehrt uns die Wissenschaft, dass Einwanderungswellen in der Vergangenheit keinen oder nur geringen Effekt auf die Arbeitsplätze und Löhne Einheimischer hatten“, stellte der Ökonom fest.
Nahles: Chance für einen Neustart geben
Arbeitsministerin Andrea Nahles hatte jüngst betont, dass Flüchtlinge eine Chance bekommen müssten, so wie auch die Menschen in Deutschland nach langer Arbeitslosigkeit eine Chance bekommen sollten – eine Chance für einen Neustart. „Unser Ziel muss sein, die zu uns kommenden Menschen in eine ordentliche Arbeit zu vermitteln. Die Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kommen, sollen schnell Nachbarn und Kollegen werden.“ Der Bundesregierung sei bewusst, dass auf die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter eine große Aufgabe zukomme. „Wir wollen uns darauf so gut wie möglich vorbereiten.“