Die Coronavirus-Infektionszahlen steigen weiter massiv an. „Wir brauchen jetzt keine gegenseitigen Schuldzuweisungen, sondern Klarheit über notwendige Maßnahmen und ihre Umsetzung“, mahnen die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Ein Namensbeitrag.
Das Eingeständnis der Bundeskanzlerin als Konsequenz der Konferenz der Ministerpräsident*innen (MPK) vergangene Woche, dass Politik vor Fehlern nicht gefeit sei, verdient Respekt. Die Lösung einer offenkundigen Führungs- und Koordinierungsschwäche des Kanzleramtes ist es nicht. Rasch das Vertrauen in die Corona-Politik von Bund und Ländern zurückzugewinnen, muss jetzt ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Die Selbstzerfleischung von CDU und CSU ist kein Anlass zur Schadenfreude, sondern zur Sorge. Wir brauchen jetzt keine gegenseitigen Schuldzuweisungen, sondern Klarheit über notwendige Maßnahmen und ihre Umsetzung.
Der Stufenplan, den die MPK Anfang März vereinbart hatte, enthielt nicht nur Regeln für vorsichtige Öffnungsschritte, sondern auch für deren Rücknahme bei einer Inzidenz von stabil über 100 Neuinfektionen pro Woche und 100.000 Einwohner*innen. In 14 von 16 Bundesländern liegt dieser Wert über 100, und die Infektionszahlen steigen weiter drastisch. Intensivmediziner*innen warnen vor einem in Kürze drohenden Kollaps des Gesundheitssystems. Insofern ist es wichtig, den gemeinsam gefassten Plan jetzt auch einzuhalten.
Alle Öffnungsschritte müssen überall da, wo die Inzidenz den Wert von 100 stabil übersteigt, mit sofortiger Wirkung zurückgenommen werden. Die „Notbremse“ muss jetzt in allen betroffenen Bundesländern konsequent gezogen werden, sonst macht sie keinen Sinn. Regeln und die Kontrolle ihrer Einhaltung sind aber auch Folge eines zu oft unbedachten Umgangs zu vieler mit den Gefahren der Pandemie, auch und besonders im privaten Bereich. Wenn es nicht zu nächtlichen Ausgangsbeschränkungen kommen soll, brauchen wir deshalb mehr als nur gefühlte Eigenverantwortung — wir brauchen gelebte Verantwortung aller für alle.
Für die Perspektive einer kontrollierten neuen Normalität ist es wichtig, in Modellregionen das Zusammenwirken von Teststrategien und Öffnungskonzepten zu untersuchen, auch um Anreize für mehr freiwillige Tests und umsichtigeres Verhalten zu setzen. Diese Möglichkeit darf aber nicht in flächendeckende und planlose Lockerungen münden. So stark wir uns alle nach der Rückkehr zur Normalität sehnen. In der gegenwärtigen Phase wäre es unverantwortlich. Deshalb muss gelten, was am 03. März durch die MPK beschlossen wurde: Modellregionen dürfen nur dort zugelassen werden, wo die Inzidenz stabil unter 100 ist.
Das Hin und Her der letzten Wochen hat viel Vertrauen verspielt. Das verdeckt leider auch, wie nah wir am großen Befreiungsschlag einer wirksamen Impfquote sind. Die Durststrecke bis dahin hätte kürzer sein müssen. Aller Ärger darüber darf uns jetzt aber nicht zur Nachlässigkeit verführen. Wir kommen nur in gemeinsam wahrgenommener Verantwortung an das rettende Ufer.
Wir haben zwei zentrale Mittel im Kampf gegen die Pandemie: Testen und Impfen. Beides hat höchste Priorität und muss spätestens nach Ostern besser funktionieren. Das ist die klare Erwartung der Menschen und unser Ziel.
Wir müssen schnell und entschlossen handeln. Denn: Jede fahrlässig nicht erkannte Infektion gefährdet nicht nur das Leben der Betroffenen, sondern viele weitere.
Schulen und Kitas müssen auch weiterhin Kontakte reduzieren, Abstände durch Wechselmodelle ermöglichen und zudem verbindlich zweimal wöchentlich testen, damit sich Infizierte sofort in Quarantäne isolieren und die Infektionskette in ihrem Umfeld nachvollziehen können. Dasselbe gilt für die Unternehmen, die jetzt noch einmal verstärkt alle Möglichkeiten des Homeoffice ausloten müssen und zudem dazu verpflichtet werden sollen, den Beschäftigten zweimal wöchentlich einen Test anzubieten und für die Wahrnehmung dieses Angebots offensiv zu werben.
Die massenhafte Testung in Kitas, Schulen und Betrieben hilft uns, unerkannte Infektionen zu identifizieren und ihre Weiterverbreitung zu stoppen.
In vielen Kommunen entsteht jetzt eine Testinfrastruktur für die Bevölkerung. Wir wollen dadurch eine Kultur des Testens etablieren, die es unkompliziert und schnell möglich macht, Klarheit über den eigenen Gesundheitszustand zu bekommen und so mögliche Kontaktpersonen zu schützen. Wir alle wünschen uns endlich wieder Kontakte mit der Familie und mit Freund*innen: Mit jedem Test übernehmen wir Verantwortung für die Gesamtheit.
Es fällt uns allen schwer, auch weiterhin die Einschränkungen unseres Lebens zu ertragen. Aber jetzt, da die Infektionszahlen wieder steigen und die Virus-Mutation dominant geworden ist, kommt es darauf an, das wir alle unsere Kontakte auf einen engen Kreis und auf das notwendige Minimum beschränken und Zusammenkünfte in Innenräumen vermeiden. Nur so können wir es schaffen, die Pandemie durch Testen und Impfen bald hinter uns zu lassen.
Trotz aller Einschränkungen sollten wir uns nicht verdrießen lassen und die Ostertage wenigstens ein bisschen zur Entspannung nutzen.