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Aktuelles

Nico Roike
28.11.2018 | Dritte SPD-Impulsveranstaltung

Wie verteidigen wir unsere Demokratie im Netz?

Diese Frage diskutierten SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, die Netz-Aktivistin Sonja Boddin und Oberstaatsanwalt Markus Hartmann am Mittwoch in einer Impulsveranstaltung der SPD im Willy-Brandt-Haus.

„Vor ein paar Jahren hätte ich gesagt, diese Frage ist vollkommen überzogen. Heute sehe ich das anders“, sagte Sonja Boddin von der Facebook-Gruppe #ichbinhier in ihrem Debattenbeitrag. #ichbinhier wurde 2016 gegründet. Inzwischen hat die Gruppe mehr als 45.000 Mitglieder, die sich aktiv für den Anstand und eine demokratische Diskussionskultur in den sozialen Netzwerken einsetzen – und aktiv gegen Hasskommentare in Facebook vorgehen.

In der Impulsveranstaltung warnte Boddin vor einem eindeutig strategischen Kalkül rechtsextremer Gruppen zur gezielten Meinungs- und Stimmungsmache in den sozialen Medien. Eine Datenanalyse ihres Vereins ergab, dass nur fünf Prozent der Nutzerinnen und von Facebook für 50 Prozent aller Hass-Kommentare verantwortlich sind. Dies bedeute, so Boddin, dass von den Rechtsextremen über die schiere Masse an Kommentaren und Likes eine Meinungshoheit vorgegaukelt werde. „Doch das ist nicht die Mehrheit!“

Die Co-Vorsitzende von #ichbinhier betonte, dass durch das stetige Wiederholen von Fehlinformationen, extremistischen Meinungen, aber auch herabwürdigender oder beleidigender Sprache das rechtsextreme Spektrum die Demokratie zersetzen sowie Themen und den Deutungsrahmen vorgeben wolle. Boddin: „Letzten Endes geht es darum, die Köpfe zu gewinnen. Erst die Köpfe, dann das Land. Das ist die Idee dahinter“.

#ichbinhier: Für Digitale Zivilcourage

Boddin appellierte an die Gesellschaft, sich nicht für dumm verkaufen zu lassen. Die rechten Facebook-Nutzerinnen und -Nutzer seien nicht die Mehrheit, sondern ein Scheinriese. „Wir müssen mitmischen. Wir müssen widersprechen. Wir dürfen niemanden verloren geben, sondern müssen den Dialog suchen.“

Besonders die demokratischen Parteien seinen in der Pflicht, den Kampf um die Deutungshoheit im Netz aufzunehmen. Es könne nicht angehen, dass Troll-Armeen von ganz rechts außen die Themen vorgeben, über die in sozialen Netzen diskutiert wird. Es sei Aufgabe und Pflicht der demokratischen Parteien, selbstbewusst und proaktiv eigene Themen zu setzen und diese mit digitalen Kampagnen zu begleiten.

Um über rechtsextreme Exzesse im Netz aufzuklären, besuchen Boddin und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter regelmäßig Schulen und üben direkt mit den Jugendlichen den Diskurs. „Ohne Bildung geht gar nichts“, sagte die #ichbinhier-Co-Vorsitzende.

Klingbeil: „Raus aus der Komfortzone“

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil betonte, dass ihm vier Dinge wichtig seien, um das Netz wieder zu einem Ort zu machen, der demokratische Werte stärkt:

  1. Fit machen für Debatte: Wie Boddin plädierte er dafür, die Digitalkompetenz in Schulen massiv zu stärken. In Zeiten, in denen massive Informationsströme nach Vereinfachung schreien, müsse man die Medienkompetenz von Jugendlichen so stärken, dass sie Quellen einordnen, prüfen und bewerten können. Dies gelte aber auch für Erwachsene - vor allem in der Altersgruppe über 40.

  2. Filterblasen aufbrechen: „Wir müssen Räume schaffen, in denen wir mit kontroversen Meinungen konfrontiert werden“, sagte der SPD-Generalsekretär. Journalistisch-redaktionelle Inhalte müssten auch in Zukunft diskriminierungsfrei im Netz und auch auf den Plattformen sichtbar sein. „So kann es gelingen, Filterblasen aufzubrechen.“

  3. Engagement fördern: „Wir alle müssen raus aus unserer Komfortzone!“, forderte Klingbeil. Falschmeldungen müssten richtig gestellt werden, wo immer sie auftauchen. Hate-Speech dürfe nicht unwidersprochen bleiben. Hier sei jede und jeder Einzelne gefragt. Der Sozialdemokrat will zivilgesellschaftliche Projekte wie etwa #ichbinhier strukturell und langfristig staatlich fördern.
  4. Klare Grenzen ziehen: „Es gibt Äußerungen, die nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt sind: Und zwar dort, wo beleidigt, gehetzt und verleumdet wird und falsche Tatsachen behauptet werden“, stellte Klingbeil klar. Strafrechtliche relevante Inhalte müssten gelöscht, diese aber auch konsequent verfolgt werden. „Was wir brauchen ist eine effektive Strafverfolgung.“

Hartmann: „Verfolgen statt nur Löschen“

Eine Forderung, die bei Oberstaatsanwalt Markus Hartmann auf Zustimmung stieß. Hartmann leitet die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen (ZAC NRW), die sich auch um die Bekämpfung der Hasskriminalität im Netz kümmert.

Der Spagat zwischen Meinungsfreiheit und strafbaren Inhalten stelle immer eine Herausforderung dar, erläuterte Hartmann. Nur Löschen bei strafbaren Inhalten reiche nicht. Vielmehr gehe es auch um das Verfolgen. „Eine konsequente Verfolgung strafbarer Äußerungen ist keine Einschränkung der Meinungsfreiheit, sondern gewährleistet diese“, bekräftigt der Oberstaatsanwalt. Dabei sei der Staat im Netz „alles andere als handlungsunfähig“.

#ichbinhier

No Hate Speech-Kampagne