Zur Forderung aus konservativen Kreisen, nach dem gewaltsamen Überfall auf den Abgeordneten des europäischen Parlaments, Matthias Ecke aus Dresden, neue und härtere Straftatbestände einzuführen, erklären die Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ), Antje Draheim und Harald Baumann-Hasske:
„Es ist schwer zu verstehen, was Menschen antreibt, einen anderen Menschen so schwer zu verletzen und zusammen zu schlagen, weil er von seinem passiven Wahlrecht Gebrauch macht. Man kann nur vermuten, dass die Opfer solcher Gewalttaten selbst und andere davon abgeschreckt oder sogar daran gehindert werden sollen, Mandate anzustreben oder anzunehmen“, so Baumann-Hasske. „Hass und Hetze, wie sie auf allen Kanälen verbreitet werden, senken die Schwelle, politische Konkurrenz als „Feinde“ aufzufassen, die man mit allen Mitteln - auch mit Gewalt - bekämpfen muss.“, erklärt Antje Draheim.
„Nach so einer niederträchtigen Gewalttat kann man den Eindruck gewinnen, politische Kandidatinnen und Kandidaten seien durch den Staat und seine Gesetze nicht ausreichend geschützt. Strafgesetze wie Körperverletzung, Schwere oder Gefährliche Körperverletzung (§§ 223 ff StGB), Nachstellung (§ 238 StGB), Nötigung (§ 240 StGB), Bedrohung (§ 241 StGB) oder Beleidigung (§ 185 ff. StGB) sind durchaus geeignet, solche Überfälle zu erfassen und verfügen auch über einen angemessenen, ggf. durchaus harten Strafrahmen. Neue Straftatbestände brauchen wir nicht.
Es könnte allerdings sinnvoll sein, den Gerichten bei der Strafzumessung eine Regel an die Hand zu geben, die den besonderen Schaden berücksichtigt, der durch eine solche Tat auch der Gemeinschaft und der Gesellschaft entsteht. Deshalb sollte in § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB eine entsprechende Formulierung eingefügt werden.“ so Baumann-Hasske.
„Unabhängig davon müssen wir in unserer Gesellschaft darüber sprechen, wie mit den Meinungen anderer umgegangen wird. Schon verbale Hetze und Hass ist Gewalt gegen andere und nicht akzeptabel. Erst recht ist nicht tolerierbar, dass Worte zu Taten werden, z.B. zu körperlicher Gewalt. Demokratische Mandatsträgerinnen und Mandatsträger in unserem Land gestalten unser Gemeinwesen und vertreten uns auf allen Ebenen des politischen Systems - von der Kommune über die Landkreise, Bezirke und Länder bis zum Bund und nach Europa. Viele dieser Mandate sind ehrenamtlich getragen. Sie alle verdienen unseren Respekt!“