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V. Unsere internationale Verantwortung in der Zeitenwende
Unsere internationale Verantwortung in der Zeitenwende
Die SPD steht für einen verantwortungsbewussten und klaren Kurs in herausfordernden Zeiten. Einfache Antworten wie die Rückbesinnung aufs Nationale oder die rücksichtslose Verfolgung kurzfristiger eigener Interessen werden unsere Sicherheit und unseren Wohlstand nicht schützen. Unser Ziel ist es, in einem starken Europa für ein verlässliches, stabiles und sicheres internationales Umfeld zu sorgen und die internationale regelgebundene Ordnung mit ihren multilateralen Institutionen zu schützen, zu reformieren und damit zu stärken. Wir setzen dabei auf einen Dreiklang aus Außen-, Entwicklungs- und Verteidigungspolitik. Internationale Solidarität und die universelle Geltung der Menschenrechte gehören zu den Grundpfeilern der Sozialdemokratie. Wir werden Frieden und Freiheit verteidigen. Diplomatie, die Suche nach gemeinsamen Interessen und darauf aufbauend Zusammenarbeit bleiben dabei für uns zentral, um internationale Konflikte und Krisen zu lösen, langfristig Frieden und Freiheit zu sichern und für mehr Gerechtigkeit zu sorgen.
21. Wir kämpfen für Freiheit und Sicherheit.
Frieden und Freiheit sind nicht selbstverständlich. Sie müssen erarbeitet, gesichert und verteidigt werden. Das hat uns der Krieg gegen die Ukraine auf schreckliche Weise gezeigt. Bereits unter Willy Brandt als Kanzler galt: Nur aus einer Position der Stärke heraus ist die Wahrung von Frieden möglich. Deshalb sind für uns militärische Stärke und Diplomatie zwei Seiten der gleichen Medaille. Unsere Antwort auf eine Welt im Umbruch ist eine Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, die mehr Verantwortung beim Schutz Europas übernimmt. Die Sicherheit auf unserem Kontinent müssen wir vor Russland organisieren.
Wir werden mehr Geld für unsere Sicherheit ausgeben. Das Sondervermögen für die Bundeswehr war ein erster wichtiger Schritt. Unsere Verteidigungsausgaben haben wir nach Jahren des Abbaus auf mehr als zwei Prozent des BIP gesteigert. Wir setzen uns daher auch zukünftig für eine nachhaltige Verteidigungsfinanzierung von mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes ein. Die Mittel werden wir für die nachhaltige Modernisierung der Bundeswehr einsetzen, damit die Soldatinnen und Soldaten ihre Aufgaben bei Auslandseinsätzen und in der Bündnis- und Landesverteidigung dauerhaft und voll umfänglich erfüllen können. Dies gebietet der Respekt vor den Soldatinnen und Soldaten. Es ist unser Ziel, die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiv zu machen. Dazu zählt die Vereinbarkeit von Familien und Dienst ebenso wie die weitere berufliche Perspektive im öffentlichen Dienst. Wir haben den Nationalen Veteranentag am 15. Juni eingeführt und setzen uns für den empathischen Umgang und die Verbesserung der Versorgung einsatzgeschädigter Soldatinnen und Soldaten sowie ihrer Familien ein. Als SPD stehen wir für das Konzept des „Staatsbürgers in Uniform“.
Die NATO ist ein tragender Pfeiler der transatlantischen Partnerschaft und für die europäische Sicherheit unverzichtbar. Gleichzeitig müssen wir damit rechnen, dass Washington nicht mehr die Hauptlast für den Schutz Europas tragen wird. Die Entscheidungen, das neue Ostseekommando in Rostock durch die Deutsche Marine einzurichten, neue europäische Abstandswaffen (European Long-Range Strike Approach, ELSA) zusammen mit unseren europäischen Verbündeten zu entwickeln und die europäische Luftverteidigungsinitiative Sky Shield (European SkyShieldInitiative, ESSI) zu starten, zeigen, dass wir bereit sind, mehr Verantwortung bei der Bündnisverteidigungzu übernehmen. Die Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen im Westen Deutschlands ist eine Reaktion auf die gegenwärtige Sicherheitslage. Gleichzeitig bleiben wir der Rüstungskontrolle verpflichtet und werden konstruktive Ansätze hierzu weiterhin im NATO-Rahmen erörtern. Wegen seiner geografischen Lage in Europa soll Deutschland als zentrale Drehscheibe für die Logistik weiter ausgebaut werden, um schnelle und koordinierte Reaktionen der NATO auf sicherheitspolitische Herausforderungen in Europa zu ermöglichen. Mit der Brigade Litauen werden wir erstmals deutsche Truppen dauerhaft im Ausland stationieren. Damit zeigen wir unseren Alliierten an der Ostflanke der NATO, dass sie sich auf uns verlassen können. Ihren Aufbau und ihre Aufstellung werden wir in Bezug auf Ausstattung, Finanzierung und Personalbedarf vorrangig unterstützen.
Angesichts der veränderten sicherheitspolitischen Lage plant die SPD die Einführung eines neuen, flexiblen Wehrdienstes. Der neue Wehrdienst soll auf Freiwilligkeit basieren und sich dabei am Bedarf der Bundeswehr orientieren. Es müssen zügig die Grundlagen für eine Wehrerfassung geschaffen werden. Der neue Wehrdienst dient zentral dem Aufbau einer durchhaltefähigen Reserve.
Die SPD bekennt sich klar zur diplomatischen, militärischen, finanziellen und humanitären Unterstützung der Ukrainerinnen und Ukrainer in ihrem Kampf gegen die völkerrechtswidrige russische Aggression – so lange wie nötig. Wir unterstützen die bilaterale Sicherheitsvereinbarung Deutschlands mit der Ukraine ausdrücklich. Die Ukraine muss mögliche Verhandlungen auf Augenhöhe mit Russland führen können. Einen russischen Diktatfrieden zulasten der Ukraine werden wir nicht akzeptieren. Verhandlungen über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg darf es nicht geben. Die Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine müssen gewahrt bleiben. Zur Verteidigung der Ukraine und zur Sicherung des Friedens in Europa unterstützt die SPD die Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte und die Lieferung von Waffen und Ausrüstung mit Besonnenheit und Augenmaß. Denn für uns gilt, dass Deutschland und die NATO nicht selbst zur Kriegspartei werden. Darum stehen wir zur Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz, den Marschflugkörper Taurus aus den Beständen der Bundeswehr nicht zu liefern.
Die zivile Unterstützung für die Ukraine ist unverzichtbar. Denn die Frage, ob sich die Ukraine im russischen Angriffskrieg behaupten kann, hängt auch davon ab, wie widerstandsfähig ihre Zivilbevölkerung ist. Eine starke Gesellschaft braucht eine funktionierende Stromversorgung und funktionierende Krankenhäuser. Das weiß auch Putin, wenn er bewusst die zivile Infrastruktur beschießen lässt. Hier wollen wir also weiterhin unterstützend vorgehen und den Menschen in der Ukraine helfen, durch diese harte Zeit zu kommen.
Wir begrüßen ausdrücklich Friedensinitiativen, wie sie vom ukrainischen Präsidenten Selenskyj angestoßen wurden. Auch die Bemühungen aus den Ländern des Globalen Südens zu Beendigung des Kriegs bewerten wir im Kern positiv. Diplomatie und Dialog bleiben für uns zentrale Instrumente, um internationale Konflikte zu lösen. Diese Initiativen erhöhen den Druck auf Putin und halten das Völkerrecht hoch. Es müssen alle Möglichkeiten für einen gerechten und dauerhaften Frieden ausgelotet werden. Die Souveränität der Ukraine und ihr legitimes Sicherheitsinteresse müssen in Verhandlungen dauerhaft garantiert werden. Deutschland muss bereit sein, eine konstruktive Rolle bei der Vermittlung und Umsetzung einzunehmen. Unser langfristiges Ziel ist eine funktionierende Sicherheits- und Friedensordnung für Europa. Für uns bietet die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) weiterhin eine wichtige Plattform, um integrierte Sicherheit in Europa weiterzuentwickeln.
Ein imperialer Krieg in Europa durch die Atommacht Russland macht deutlich, wie wichtig es ist, dass wir uns auch in Zukunft intensiv für neue Ansätze glaubwürdiger Rüstungskontrolle und Abrüstungsinitiativen einsetzen. Eine Welt ohne Atomwaffen bleibt unser Ziel. Darum unterstützen wir Initiativen zum weltweiten Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen („No first use“). Deswegen setzen wir uns für die Beibehaltung, Erfüllung und Verlängerung des New START-Vertrages zur Begrenzung von strategischen Nuklearwaffen ein.
22. Wir kämpfen für ein starkes und handlungsfähiges Europa.
Ein starkes Europa in der Welt ist unsere Antwort auf die globalen Herausforderungen, die sicherheits- und wirtschaftspolitischen Veränderungen, und den Druck, dem sich die Demokratien dieser Welt durch Populisten und Autokraten gegenübersehen. Wenn wir mit einer Stimme sprechen, sind wir stark genug, um unseren Werten und Interessen in der Welt Gehör zu verschaffen. Doch die EU und ihre Grundwerte werden von außen wie innen bedroht. Der russische Angriff auf die Ukraine hat den Krieg zurück auf den europäischen Kontinent gebracht. Zugleich schränkt der Rechtspopulismus in der EU ihre Handlungsfähigkeit ein und stellt die Werte des europäischen Friedensprojekts in Frage. Wir müssen daher dafür sorgen, dass diese gemeinsamen Werte auch nach innen, in allen Mitgliedstaaten der Union, gelebt werden. Zudem müssen wir Europa in die Lage versetzen, mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit zu übernehmen.
Wir werden den europäischen Pfeiler in der NATO stärken, indem wir Investitionen abgestimmt tätigen und unsere Streitkräfte partnerschaftlich organisieren. Dadurch schaffen wir wichtige Synergieeffekte, indem wir die langfristige Integration europäischer Streitkräfte fördern. Dafür setzen wir auf verstärkte Kooperation der EU-Mitgliedstaaten, etwa bei gemeinsamer Beschaffung von Ausrüstung und Gerät, bei gemeinsamen Manövern, standardisierten Ausbildungskonzepten sowie der schrittweisen Integration nationaler Einheiten in multinationale Strukturen.
Ein sicheres Europa braucht eine gut aufgestellte europäische Verteidigungsindustrie, mit wettbewerbsfähigen europäischen Unternehmen, sodass wir die Beschaffung künftig deutlich stärker über den europäischen Markt abdecken können. Aufbauend auf die deutsch-französische Kooperation für Panzer und Kampflugzeuge der Zukunft wollen wir europäische Innovationen in der Verteidigungsindustrie weiter fördern. Dafür setzen wir noch stärker als bislang auf europäische Instrumente wie die Europäische Verteidigungsagentur und gemeinsame Rüstungsprojekte im Rahmen der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (Permanent Structured Cooperation, PESCO).
Wir setzen uns für eine gemeinsame und koordinierte europäische Rüstungsexportpolitik ein. Dabei ist uns wichtig, dass sich eine solche Politik an gemeinsamen Werten und strategischen Prioritäten orientiert. Europäische Rüstungsgüter dürfen nicht in falsche Hände geraten.
Deutschland kommt als größtem und wirtschaftlich stärkstem Mitgliedstaat innerhalb der EU eine besondere Verantwortung zu. Dafür ist es wichtig, dass die Partner in der Bundesregierung auf EU-Ebene mit einer Stimme sprechen. Wir erwarten von allen demokratischen Parteien, dass sie die Brandmauer gegen Rechtspopulismus und -extremismus, auch im Europäischen Parlament aufrechterhalten.
Zusammen mit Frankreich und Polen haben wir das Weimarer Dreieck neu belebt. In den kommenden Jahren werden wir diesen wichtigen Motor nutzen, um neue Wege in der EU schneller und geeinter zu beschreiten und die EU zu einer starken und solidarischen Gemeinschaft weiterzuentwickeln.
Die Erweiterungspolitik der EU ist ein Instrument von hoher transformativer Kraft und eine geopolitische Notwendigkeit. Wir haben sie neu belebt. Sie war und ist ein Motor für Frieden, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Wohlstand in Europa. Wir wollen diese Erfolgsgeschichte fortschreiben und die Gelegenheit wahrnehmen, unsere europäischen Nachbarn bei einer dauerhaften demokratischen Transformation zu begleiten. Auch damit nicht andere Akteure an die Stelle der EU treten. Wir setzen uns für eine zügige Aufnahme der westlichen Balkanstaaten ein. Durch spürbare Fortschritte im Erweiterungsprozess, wie etwa dem Zugang zum gemeinsamen Binnenmarkt, sollen die Menschen spüren, dass sich der Weg in die EU lohnt.
Auch die Ukraine und Moldau sollen ein Teil der EU werden. Beide Länder lassen keinen Zweifel daran, dass sie sich schon heute an den gemeinsamen Werten der EU orientieren und sich nach dem Schutz der Gemeinschaft, in Frieden und Freiheit leben zu können, sehnen. Mit der Erweiterung nach Osteuropa setzen wir ein klares Zeichen gegen den Versuch der einseitigen Grenzverschiebungen durch Russland, bekennen uns zum gemeinsamen Wiederaufbau der Ukraine und ermöglichen den Menschen den Zugang zu unserer Wertegemeinschaft. Auch die Kräfte in Georgien, die für Freiheit, Demokratie und Wohlstand eintreten und eine Zukunft in Europa fordern, unterstützen wir. Klar ist, dass Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit für uns unverhandelbar sind. Die Kopenhagener Kriterien müssen immer erfüllt sein.
Darüber hinaus sind wir für einen Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention. Wir werden den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte stärken sowie die konsequente Umsetzung seiner Gerichtsurteile einfordern. Wir schützen mit dem Europarat und seiner Parlamentarischen Versammlung die Grundwerte der Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit auf unserem Kontinent.
Wenn grundlegende Prinzipien der EU missachtet werden, muss die EU ihren Wertekanon nachdrücklich auch gegenüber Mitgliedstaaten schützen. Wir wollen künftig noch konsequenter gegen all jene vorgehen, die unsere gemeinsamen Werte innerhalb der EU verletzen. Dafür müssen bestehende Schutzinstrumente bei Rechtsstaatsverstößen, von Vertragsverletzungsverfahren bis hin zur Entziehung der Stimmrechte, deutlich konsequenter als bisher eingesetzt und fortentwickelt werden. Darüber hinaus setzen wir uns für verschärfte finanzielle Sanktionsmöglichkeiten und ein unabhängiges Kontrollgremium zur Überwachung des konsequenten Einsatzes bestehender Instrumente ein.
Ein wachsendes Europa muss auch ein besseres Europa sein. Schon heute kommt die EU an die Grenzen ihrer Handlungsfähigkeit. Spätestens mit der EU-Erweiterung müssen Europäische Vertragsreformen erfolgen. Hierfür setzen wir uns für eine ergebnisorientierte Einsetzung eines Europäischen Konvents ein. Ein wesentlicher Bestandteil institutioneller Reformen ist für uns, das Einstimmigkeitsprinzip im Europäischen Rat und Ministerrat durch die Einführung von Mehrheitsentscheidungen abzulösen. Vetorechte einzelner Mitgliedstaaten sind nicht mehr zeitgemäß, da sie schon heute sachfremd als Druckmittel eingesetzt werden. Deswegen wollen wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Entscheidungsverfahren schon kurzfristig so effizient wie möglich zu machen. Dazu gehört auch eine Vervollständigung der Mitentscheidungsrechte des Europäischen Parlaments, inklusive eines echten Initiativrechts. Das macht die EU schlagfertiger, handlungsschneller und demokratischer. Wenn ein souveränes Europa unser Anspruch ist, dann sind Mehrheitsentscheidungen ein Gewinn und kein Verlust an Souveränität.
23. Wir stärken europäische Interessen in der Welt.
Eine Europäische Union, die mit einer Stimme spricht, kann ihr Gewicht in der Welt besser zur Geltung bringen. Die Europäischen Partner dürfen sich nicht auseinanderdividieren lassen. Wir müssen gemeinsame Positionen und Interessen formulieren und für diese gemeinsam eintreten.
Wir werden unsere traditionellen Allianzen und Kooperationen vertiefen. Für uns bleiben die Beziehungen zu Frankreich zentral. Sie bilden den Kern des europäischen Einigungsprozesses. Bei der Entwicklung eines starken Europas hat die deutsch-französische Partnerschaft eine zentrale Rolle gespielt. Unsere besondere Aufmerksamkeit gilt auch den deutsch-polnischen Beziehungen und dem demokratischen Ostseeraum mit seinen vielfältigen traditionellen Partnern Deutschlands. Es liegt im europäischen Interesse, die Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich zu verbessern. Basierend auf der deutsch-britischen Vereinbarung über Verteidigungspolitik (Trinity-House-Vereinbarung) werden wir die Verhandlungen zu einem umfassenden bilateralen Abkommen mit der britischen Regierung unterstützen, welches unsere Beziehungen mit London breiter aufstellt und intensiviert – von Bildung über Wirtschaft bis zu Sicherheitsfragen.
Die USA sind unser engster außereuropäischer Partner. Das transatlantische Verhältnis ist zentral für die europäischen und deutschen Außenbeziehungen. Wir stehen bereit, diese enge transatlantische Kooperation fortzusetzen. Die Zeitenwende durch den russischen Angriffskrieg hat zuletzt den Wert des transatlantischen Bündnisses noch mal verdeutlicht, es zeigt sich aber gleichzeitig die Notwendigkeit, Europa auch sicherheitspolitisch selbstständiger aufzustellen. Die Gefahr protektionistischer Maßnahmen der USA ist weiter gestiegen. Wir setzen alles daran, Handelshemmnisse abzubauen und einen Subventionswettlauf mit den USA zu vermeiden. Dafür ist es wichtig, dass Europa mithilfe einer Investitions- und Innovationsoffensive in Zukunftstechnologien an wirtschaftlicher Kraft gewinnt.
Peking ist kein einfacher Partner. Die SPD unterstützt die Umsetzung der ersten deutschen China-Strategie und setzt sich für eine europäisch abgestimmte China-Politik ein. In der EUdefinieren wir China als Partner, Wettbewerber und Systemrivalen. Die Volksrepublik ist zu einer führenden globalen Gestaltungsmacht aufgestiegen, ohne deren Mitwirkung globale Herausforderungen wie der Klimawandel, Fragen der Rüstungskontrolle und der Nichtverbreitung von Atomwaffen sowie die Verschuldungskrise in Ländern des Globalen Südens nicht zu lösen sind. Nach außen tritt China immer selbstbewusster und auch aggressiver auf. Etwa indem es seine Machtansprüche in seiner Nachbarschaft immer wieder deutlich macht. Auch distanziert sich China nicht ausreichend von Russlands völkerrechtswidrigem Krieg gegen die Ukraine. Vielmehr hat China seine Unterstützung für Russland ausgebaut. Das betrifft die europäische Sicherheit. Wir sehen das kritisch. Der Aufstieg Chinas bedarf einer besonnenen und gemeinsamen europäischen Chinapolitik. Europa muss seine geopolitische Macht nutzen und mit einer europäischen Stimme für seine Interessen und Werte sprechen. Gleichzeitig müssen wir in kritischen Bereichen wirtschaftlich unabhängiger werden (De-Risking). Wir bekennen uns weiterhin zur Ein-China-Politik und sind der Überzeugung, dass die Taiwan-Frage nur einvernehmlich in einem friedlichen Verfahren geklärt werden kann. Ob Menschenrechte, wettbewerbsverzerrende Industriepolitik oder Russlandpolitik: Wir bleiben mit Peking in einem robusten Dialog, in dem wir auch kontroverse Themen offen diskutieren.
Gemeinsam mit Ländern wie Indien, Indonesien, Südafrika und Brasilien engagieren wir uns für Multilateralismus, für eine auf Regeln basierende internationale Ordnung und für die Verteidigung der Demokratie – auch wenn sie zusammen mit Russland Mitglieder der BRICS-Staatengruppe sind. Den Dialog mit diesen Ländern gilt es mit dem Ziel einer neuen Nord-Süd-Politik zu vertiefen. Wir werden strategische Partnerschaften mit Ländern des Globalen Südens ausbauen. Wir wollen koloniale Kontinuitäten überwinden, uns in Partnerschaft auf Augenhöhe begegnen. Die Aussöhnung mit Namibia bleibt für uns eine unverzichtbare Aufgabe, die aus unserer historischen und moralischen Verantwortung erwächst.
Wir setzen auf die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik als eine wichtige Säule unserer Außenpolitik. Durch Verbindungen in Kultur und Wissenschaft vertiefen wir die Beziehungen zwischen den Zivilgesellschaften in der Welt.
Wir verurteilen den brutalen Terrorangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 aufs Schärfste. Es war das größte Massaker an Jüdinnen und Juden seit der Shoa. Das Existenzrecht und die Sicherheit Israels sind unverhandelbar und deutsche Staatsräson. Wir fordern die unverzügliche Freilassung aller noch festgehaltenen Geiseln. Israel hat das Recht auf Selbstverteidigung. Gleichzeitig ist es durch das humanitäre Völkerrecht verpflichtet, auf die Verhältnismäßigkeit seiner Reaktion zu achten und Zivilisten zu schützen. Angesichts der hohen zivilen Opferzahlen in Gaza, darunter mehrheitlich Frauen und Kinder, und des Ausmaßes der Zerstörung der zivilen Infrastruktur fordern wir einen sofortigen Waffenstillstand. Dazu rufen wir alle beteiligten Staaten auf und begrüßen internationale Bemühungen, darauf hinzuwirken. Die katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen ist inakzeptabel und muss sofort beendet werden. Hilfskonvois müssen uneingeschränkten Zugang zu den Menschen in Gaza haben. Die Bevölkerung muss mit Medizin und Nahrungsmitteln versorgt werden. Die Eskalationen in der Region zeigen, dass es dringend einen neuen Anlauf für Fortschritte in der Zweistaatenlösung braucht. Dazu gehört eine reformierte Palästinensische Autonomiebehörde, die auch die zivile Verwaltung in Gaza übernimmt. Von Gaza darf keine Gefahr für Israel mehr ausgehen.
Es muss es zu einem Stopp des völkerrechtswidrigen Siedlungsbaus durch Israel in den palästinensischen Gebieten kommen. Pläne zur Annektierung von Gebieten im Westjordanland und Gaza-Streifen lehnen wir ab. Unser Ziel bleibt die friedliche Koexistenz zweier souveräner und lebensfähiger Staaten im Rahmen einer Verhandlungslösung. Nur eine politische Perspektive kann die Sicherheit Israels dauerhaft sicherstellen. Unsere Solidarität mit Israel und die Einhaltung des Völkerrechts sind für uns historische Verpflichtung. Dafür setzt sich die SPD ein. Ebenso müssen die Waffen im Libanon schweigen. Die Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrats aus dem Jahr 2006 muss von allen Konfliktparteien befolgt werden.
Das Regime im Iran trägt zu einer weiteren Eskalation der Sicherheitslage im Nahen Osten bei. Mit seiner Ablehnung der internationalen regelgebundenen Ordnung trägt der Iran eine Mitverantwortung für viele aktuelle Konflikte und Krisen in der Welt. Das Regime unterstützt den russischen Angriff auf die Ukraine mit Raketen und Drohnen. Es hat Israel direkt angegriffen und versucht, den Nahen Osten über die sogenannte Achse des Widerstands zu destabilisieren. Es verweigert die Kontrolle seiner Atomanlagen. Zugleich nimmt die Repression gegen Andersdenkende und vor allem gegen Frauen, die für ihre Rechte und Freiheit kämpfen, im Land zu. Sie werden dabei erbarmungslos verfolgt. Wir unterstützen daher die internationalen Sanktionen gegen das Regime und fordern, die Revolutionsgarden auf die EU-Terrorliste zu setzen.
Nach der Überwindung der langjährigen Assad-Diktatur gibt es für die Syrerinnen und Syrer die Hoffnung auf einen friedlichen Neuanfang. Wir werden den politischen Übergang und die Perspektiven für einen Wiederaufbau des Landes unter syrischer Führung und in syrischer Verantwortung unterstützen. Von zentraler Bedeutung sind für uns dabei der Schutz und die Teilhabe der zahlreichen religiösen, ethnischen und konfessionellen Gruppen, die Wahrung von Menschenrechten, insbesondere Frauenrechten, der ungehinderte Zugang für humanitäre Hilfe und Maßnahmen, die verhindern, dass Syrien als Basis für den Terrorismus genutzt wird oder eine Bedrohung für seine Nachbarn darstellt.
24. Wir kämpfen für eine gerechte Welt.
Ein attraktives und starkes Europa kann entscheidend dazu beitragen, auf globale Herausforderungen globale Antworten zu geben. Eine regelbasierte internationale Ordnung ist dafür die beste Grundlage. Sozialdemokratische internationale Politik hat das Ziel einer friedlichen, gerechten und nachhaltigen Welt. Autoritäre Regime drängen allerdings darauf, die regelbasierte Ordnung zu ihren ganz eigenen Gunsten zu verschieben, während viele Staaten im Globalen Süden sich von den liberalen Demokratien abwenden. Sie sehen ihre Erwartungen auf Wachstum und Wohlstand nicht erfüllt. Wir haben es in der Hand, das zu ändern, indem wir strategisch in Partnerschaften mit Ländern des Globalen Südens investieren. Dabei geht es nicht zuletzt um unsere eigene Zukunft, um Sicherheit in Europa, um den Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland, um den Wohlstand unserer Gesellschaft. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, als Win-Win-Modell für alle Beteiligten, ist im europäischen Interesse.
Unsere Entwicklungspolitik leistet einen wichtigen Beitrag, Menschen in Ländern des Globalen Südens wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Perspektiven zu schaffen. Neben der Zusammenarbeit mit Regierungen setzen wir insbesondere auf die Stärkung der Zivilgesellschaft und die Verbesserung privatwirtschaftlichen Handelns. Wir werden eine feministische Außen- und Entwicklungspolitik fortführen, die der Überzeugung folgt, dass alle Menschen die gleichen Rechte, Freiheiten und Möglichkeiten unabhängig vom Geschlecht und sexueller Orientierung besitzen.
Wir brauchen Dialog und Zusammenarbeit in den Vereinten Nationen und in multilateralen Foren wie den G20. Ziel ist die Überwindung von Armut, Hunger und Ungleichheit. Wir müssen auf akute Hungerkrisen reagieren können und langfristig eine Umstellung der Agrarsysteme auf Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit unterstützen. Soziale Sicherungssysteme sehen wir dabei als eine notwendige Investition in die Zukunft. Nur wo ein soziales Netz aufgespannt ist, kommen Gesellschaften besser durch Krisen. Im Rahmen einer globalen Gesundheitspolitik ist es wichtig, künftig schnellere, grenzübergreifende Hilfe und unbürokratische internationale Kooperationen zu ermöglichen. Schaltzentrale sollte eine breit unterstützte Weltgesundheitsorganisation sein.
Richtschnur für die Zusammenarbeit mit globalen Partnern sind die 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 der Vereinten Nationen(Sustainable Development Goals, SDGs) und deren Weiterentwicklung, die wir aktiv mitgestalten. Wir sind davon überzeugt, dass Multilateralismus einGrundpfeiler für Frieden und Wohlstand ist. Um die Erfolgsspur zu halten, braucht es Reformen der multilateralen Organisationen – auch des UN-Sicherheitsrates und seiner blockierenden Veto-Regelung. Länder Afrikas, Lateinamerikas und Asiens müssen auf allen Ebenen besser vertreten sein. Mit Brasilien, Indien und Japan treiben wir im Bemühen um einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat unsere gemeinsame G4-Initiative voran.
Durch Humanitäre Hilfe und Krisenprävention trägt Deutschland dazu bei, menschliche Not zu lindern und Krisen einzuhegen, aber auch seinen diplomatischen Einfluss zu festigen. Wir brauchen ein starkes und eigenständiges Entwicklungsministerium, das zusammen mit politischen Stiftungen, mit NGOs und kirchlichen sowie zivilgesellschaftlichen Partnern wichtige Arbeit bei der Bewältigung globaler Krisen und bei der Prävention von Konflikten leistet. Wir wollen, dass mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für öffentliche Entwicklungsleistungen (ODA-Quote) bereitgestellt werden. Diesen Anspruch haben wir nicht nur an uns, sondern auch an unsere Partner insbesondere im G7-Kreis.
Weltweit geht die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander. Diese Abwärtsspirale gilt es zu durchbrechen: Wir werden in einer Globalen Allianz für Steuergerechtigkeit gemeinsam mit anderen Ländern die Einführung einer Milliardärssteuer vorantreiben. Superreiche sollen stärker für die Finanzierung des Gemeinwohls, insbesondere zur Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele sowie zur Klimafinanzierung, herangezogen werden.
Gemeinsam mit zentralen Akteuren wie der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds können wir die internationale Finanzarchitektur gerechter machen. Investitionen in öffentliche Güter wie Bildung, Gesundheit und Klimaschutz müssen in den Mittelpunkt der internationalen Finanzarchitektur und zentraler Akteure wie dem IWF, der Weltbank und der regionalen Entwicklungsbanken rücken. Für hochverschuldete Länder setzen wir zudem stärker auf eine Schuldenumwandlung: Tausch ihrer Verpflichtungen gegen Investitionen, in die soziale und ökologische Transformation.
Viele Bereiche unseres Alltags und unserer Wirtschaft hängen unmittelbar an robusten Lieferketten und dem Zugang zu besonders wertvollen Rohstoffen. Als innovativer Industriestandort wollen wir Allianzen bilden und mit strategischen Partnerschaften Brücken bauen – beispielsweise beim Ausbau von grünem Wasserstoff. Nachhaltige und verantwortungsvolle Wertschöpfungsketten gilt es mit Produktionsstätten vor Ort zu schaffen und damit Arbeitsplätze zu sichern – auch bei uns zu Hause.
Wir wollen konkrete Vereinbarungen zu internationalen Standards, die gute Arbeit mit existenzsichernden Löhnen sicherstellt. Mit der EU-Lieferkettenrichtlinie haben wir klare Regelungen und gleiche Voraussetzungen für alle Unternehmen in Europa geschaffen.
Von klaren Regelungen und gleichen Voraussetzungen für alle in Europa profitieren insbesondere deutsche Unternehmen, die schon jetzt auf starke Standards setzen. Auf weltweit verbindliche Regeln pochen wir auch bei den Verhandlungen zum UN-Vertrag für Wirtschaft und Menschenrechte. Wir stehen für die internationale Solidarität und für die universelle Geltung der Menschenrechte. Dafür braucht es starke Institutionen wie den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und den internationalen Strafgerichtshof.
Europas Wohlstand und auch die Entwicklungsperspektiven vieler Staaten des Globalen Südens hängen stark von einem regelbasierten, diskriminierungsfreien globalen Handelsregime ab. Der Abschluss von weitreichenden Handels- und Investitionsabkommen (beispielsweise das EU-Mercosur-Abkommen oder die Freihandelsverträge der EU mit Indien und Australien) sind wichtige Meilensteine, um robuste Allianzen und Partnerschaften zu etablieren. Solche Abkommen müssen mit unseren sicherheitspolitischen Zielen übereinstimmen, soziale Rechte wie auch Menschenrechte stärken, Umwelt und Klima schützen sowie langfristige Perspektiven für Wachstum und Wohlstand für alle Vertragsparteien schaffen. Wir wollen, dass solche Abkommen künftig einfacher gestaltet und schneller zum Abschluss gebracht werden können. Zu oft werden Verhandlungen von einzelnen EU-Mitgliedstaaten ausgebremst. Handelsabkommen sollen daher durch eine qualifizierte Mehrheit im Ministerrat der EU entschieden werden. Damit tragen wir auf europäischer Ebene zu einem erfolgreichen und zeitlich angemessenen Abschluss von fairen Freihandelsabkommen auf Augenhöhe bei.
Der Klimawandel macht nicht an nationalen Grenzen halt. Wir brauchen weltweit solidarische Initiativen für Klimaanpassung, denn es sind die ärmsten Staaten, die häufig am heftigsten betroffen und am wenigsten vorbereitet sind. Sozialdemokratische Politik schafft eine nachhaltige Entwicklungsperspektive, die Wohlstand und Schutz miteinander verbindet.
Wir wollen das Pariser Klimaabkommen umsetzen und unseren fairen Anteil an der internationalen Klimafinanzierung bereitstellen. Für die finanziellen Herausforderungen der globalen Klima-Transformation setzen wir auch verstärkt auf die Mobilisierung von privaten Mitteln. Es gilt, die sozial-ökologische Transformation umzusetzen und dabei die Bedürfnisse unserer Partner nach verlässlichen Kooperationen für ihre wirtschaftliche Entwicklung zu berücksichtigen. Dazu dienen beispielsweise die Just Energy Transition Partnerships (JETPs) sowie die Klima- und Entwicklungspartnerschaften mit Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika. Es geht um ganzheitliche Ansätze, bei denen die betroffenen Menschen und Regionen im Zentrum stehen. Dafür werden wir noch stärker Gewerkschaften und Zivilgesellschaft mit einbeziehen. Für ein Vorangehen bei den Transformationsaufgaben sind wir aber auf internationale Vertrauensnetzwerke wie den internationalen Klimaclub angewiesen, der bereits wichtige Impulse für die Zusammenarbeit gesetzt hat. Wir wollen weitere Formate initiieren und unterstützen.